Höchste Aufmerksamkeit angebracht

Dieses nicht allein im Umfang gewichtige und doch spannend zu lesende Buch verdient die höchste Aufmerksamkeit aller Menschen, die sich durch Symptome, psychische Reflexe, wiederkehrende Erlebnis- und Verhaltens-Muster (z. B. Ängste oder Überreaktionen) eingeschränkt fühlen. Und wer wäre dies nicht? Das Werk beschreibt an Hunderten von Fallbeispielen eine Methode, wie es in kurzer Zeit gelingen kann, die Ur(sprungs)erlebnisse, die einst zu Einschränkungen der Lebensfreude, der Liebes- und Leistungsfähigkeit führten, aufzudecken. Eine neue Methode ganzheitlicher Persönlichkeitsentwicklung.

Es verdient insbesondere die höchste Aufmerksamkeit von Psychologen und Therapeuten, denen ihre eigenen Methoden nicht wirksam genug oder zu langwierig erscheinen. Obwohl MindWalking vom Urheber ganz energisch gegen jede Art von Therapie abgegrenzt wird, lässt sich die Methode des gezielten Rückgangs auf Ursprungserlebnisse durchaus mit Sigmund Freuds Suche nach einer „Urszene“ vergleichen (sofern man „Urszene“ nicht terminologisch eng auf die sexuelle Beziehung der Eltern des Analysanden bezieht). Was aber in der klassischen Analyse Jahre dauert, ereignet sich hier in zwei bis drei Tagen: in einem Gesprächssetting zwischen „Sitzungsleiter“ und „Sitzungspartner“, wie der Klient genannt wird. Im Unterschied zur Psychoanalyse werden jedoch nicht Träume und Assoziationen, sondern mehr oder weniger leicht zugängliche Erinnerungen ins Bewusstsein gerufen. Es wird ferner nicht gedeutet, sondern durch biographische und trans-biographische Erinnerung an solche Ur-Erfahrungen geführt, bei denen es „Klick macht“, d. h. von denen her alles Erlebte und seine Muster in einem neuen, verständlicheren Licht erscheinen. Wobei der eigene Täter-Anteil an manchen permanenten Opfer-Rollen sichtbar wird, ohne dass etwa dadurch eine neue Schuld-Kultur belebt werden soll. Die bisher verdeckte Sichtweise wird daraufhin trainiert.

Der Sitzungsleiter versteht sich also entschieden nicht als Therapeut, sondern als Trainer. Es geht dem Urheber Ulrich Kramer sowie den von ihm ausgebildeten Sitzungsleitern nicht um Therapie von Symptomen und anderen Auffälligkeiten wie etwa den verbreiteten Misserfolgs-Mustern, sondern um Bewusstseinsarbeit zur Aufdeckung solcher Muster und angeeigneten Einschränkungen im biographischen (und oft auch transbiographischen) Material. Dann um Training der neuen Sichtweise. „MindWalking heilt nicht. Es ist Training und nichts als Training“, betont der Autor nochmals in einem eigenen Papier der Abgrenzung von Therapie. Über solche scharfe Abgrenzung von Trainings und Therapie ließe sich sicher fruchtbar diskutieren. Auf jeden Fall würde dadurch das Neue der MindWalking-Methode ins Licht gerückt.

Auch von Biofeedback grenzt der Autor seine Methode entschieden ab. Denn es wird zwar ein elektronisches Rückmeldegerät verwendet. Doch werden keineswegs biologische Funktionen durch Feedback reguliert. Vielmehr wird das körperelektrische Feld, der Hautwiderstand, abgegriffen, um Rückschlüsse aus mentalen Spannungen bei der Erinnerungsarbeit zu ziehen und dem Sitzungsleiter einen Wegweiser für seinen durchaus lenkenden, aber nicht suggestiven Dialogpart zu geben.

Das Buch verdient nicht zuletzt die höchste Aufmerksamkeit der selbständig Denkenden unter den Esoterikern: Oft führen die Ursprungserlebnisse, wie mit dem Wort „transbiographisch“ schon angedeutet, in astrale Bereiche oder in frühere Inkarnationen, ohne dass jedoch – bei manchen persönlichen, sensationellen Entdeckungen – eine Dogmatik entwickelt wird und ohne dass der kritische Boden der „operationalen“ Denkweise verlassen wird. „Wenn man operational definiert, orientiert man sich an Erlebnissen und überprüfbaren Ergebnissen. Man wahrt Realitätsbezug. Man vermeidet Konstrukte. So bleibt die Kirche immer fein im Dorf“ (S. 364). Es ist der Spannungsbogen von größter Offenheit für alles Erleben in „Anderswelten“ und nüchterner operationaler Denkweise, der dem Buch wie der Methode ihren besonderen Reiz gibt. Damit setzt sich der Autor natürlich  zwischen manche herkömmlichen Stühle. Viele Einzelelemente sind zwar auch aus anderen Settings (Psychoanalyse, Rückführungstherapie usw.) bekannt. Sie werden jedoch hier, als Ergebnis jahrzehntelanger Erfahrung, zu einer ungewöhnlich effizienten Synthese gebracht, und dies ohne Mittel wie Trance oder Hypnose.

Das Buch besteht zum größten Teil aus spannenden Fallbeispielen, in welche erläuternde Exkurse eingestreut sind. Den ausführlichsten Theorie-Exkurs bildet der abschließende dritte Teil. Trotz anspruchsvoller spiritueller Theorie der Psyche hat der Leser also immer Erlebnismaterial vor Augen. Das Buch bildet allerdings nur Anreiz und Hilfsmittel für das praktische Erproben von MindWalking.
Nachdem meine eigene Neugierde groß genug war, mich auf solches Erproben einzulassen, kann ich dem Buch nur Tausende von Lesern sowie der Methode eine große Verbreitung durch ein Multiplikatorennetz von MindWalking-Trainern wünschen. Hier wird Aufklärung für ein neues Zeitalter von der psychologischen wie zugleich von der undogmatisch spirituellen Seite angeboten. Die Aufmerksamkeit, die ich dem MindWalking wünsche, würde zur Aufmerksamkeit eines jeden auf blockierende Programme des vergangenen Erlebens führen, um von da unbelastet die persönliche wie gemeinsame Zukunft besser gestalten zu können: „Unbelastet in die Zukunft“, wie der Untertitel des Buches lautet. Welch ein ungeheures Potenzial von Kreativität kann individuell und kollektiv freigesetzt werden durch das Wegräumen von „unscheinbaren“ Hindernissen!

Titel: MindWalking
Untertitel: Unbelastet in die Zukunft
Autor: Ulrich Kramer
Jahr: 2008
Verlag: Verlag Peter Jentschura
Genre: Sachbuch
Aufmachung: 393 Seiten, gebunden
Im Netz: www.mindwalking.de

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