zeitgeist-Newsletter

Das Leben ist ein Abenteuer

Von und mit JUTTA GRUBER

Lebenskrisen sind oft beste Lehrmeister. Sie zeigen uns, was geht und was nicht, und manchmal muss dafür sogar das Knie oder der Rücken herhalten. Ein „falscher“ Schritt, eine „falsche“ Bewegung – und schon tut’s weh. Erst kürzlich, zwei Tage nach meinem 43. Geburtstag, haute es mich bei einem lustigen Aufenthalt im Schnee wieder und wieder aufs Knie. Boing rechts, boing links und munter weiter, boing, boing. Ich wollte doch dabei sein: bei den Wanderungen, auf dem Eis, bei meinem heiligen Auszeitnehmen. Bis irgendwann nichts mehr ging. Nach der Rückkehr – an die Wohnung gefesselt und am Weglaufen gehindert – fiel mir auf, wie oft ich in letzter Zeit „So geht es nicht mehr weiter!“ gesagt hatte. Und mein Körper brachte genau dies zum Ausdruck.

Also gut, Botschaft angekommen. Moment mal, welche Botschaft denn? Ich hatte doch lediglich eine interessante Übereinstimmung aufgedeckt – eine Synchronizität quasi. Doch näher betrachtet war ich eigentlich schon vor den Stürzen unbeweglich gewesen, innerlich eben. Gejammert hatte ich wegen meiner angespannten Lebenssituation, verändert jedoch nichts. Vollführte mein Körper deshalb Stürze, weil ich persönlich unzufrieden war und nicht auf meine innere Stimme gehört hatte, im Sinne von: Wer nicht hören will, muss fühlen? Konkret: Wer sich innerlich nicht bewegt, den oder die haut es äußerlich aufs Knie?

Das ganze Leben ist nur eine verschwenderische und vielfältige Gelegenheit, die uns gegeben wurde, um das Göttliche zu entdecken, zu realisieren und auszudrücken. (aus Sri Aurobindo: The Human Cycle)

Ist das so? Ist das immer so? Existiert ein derartiger Kausalzusammenhang tatsächlich? Ehrlich gesagt, hat mir diese trivial-mechanistische, in esoterischen Kreisen gepflegte Lebensüberzeugung noch nie behagt. Die Vorstellung von Krankheiten oder Unfällen als Mahnung oder gar Strafe befremdet mich. Für mich sind die Verbindungen zwischen Innen- und Außenwelt, zwischen Lebensgefühl und unseren körperlichen Symptomen weitaus komplexer und geheimnisvoller. Mir scheint es ergiebiger, Unfälle bereits als ersten Schritt in die neue, die richtige Richtung zu deuten! In meinem Fall: Ich soll mich weniger bewegen, um äußerlich ruhig, aber geistig beweglicher sein zu können! Dafür war ich vor einigen Tagen bereit (oder folgte einem inneren Drang?), so beharrlich aufs Knie zu stürzen.

Umgekehrt werden Krisen auch dadurch ausgelöst, dass wir unsere Lebendigkeit, unsere Beweglichkeit, sowohl die körperliche als auch die des Denkens, selbst einschränken – vielleicht durch stetiges Grübeln, wenn die Gedanken in einer Schleife hängen und den Ausstieg aus dem Leid und der Selbstbestrafung verhindern. Fraglos meistens aus Angst.

Weshalb ist es so, dass wir uns – aus Angst vor eigenem Potenzial, vor unserer Lebendigkeit – stets woandershin sehnen? Warum soll so oft so vieles anders sein, als es nun mal ist? Weil wir das, was ist, nicht ertragen können? Dabei beginnt der nächste Schritt doch immer bei dem, was ist, und nie bei dem, von dem wir glauben, dass es jetzt sein soll. Eben so, wie jeder neue Schritt (und vielleicht sogar Sturz) ein Schritt in die richtige Richtung sein kann.

Das ist vielleicht die Botschaft: Erleben wir unser Leben wieder als die Aventüre, die es eigentlich ist: ein Mutiges wagendes Handeln mit ungewissem Ausgang. Hier ist das Leben. Jetzt.

→ Dieser Beitrag erschien in zeitgeist-Printausgabe 1-2006.


zeitgeist-Suche

Frisch im Programm