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... und nun das Wetter

Von JUTTA GRUBER

Es war einmal, im letzten Sommer, da träumte ich, dass mein Telefon klingelt. Am anderen Ende fragte eine Vertrauen erweckende Stimme: „Hier ist Cosmo, wie ist das Wetter?“ Halb verschlafen antwortete ich: „Danke, gut.“ Dann folgte Stille, gerade lange genug, um mir selbst die Frage zu stellen, ob ich den seltsamen Anrufer mit meiner eigentlich eher unpassenden Antwort verärgert hatte. Noch bevor ich weiter ins Grübeln kommen konnte, richtete er sein Wort erneut an mich: „Wie ist das Wetter bei dir?“ Ja, heiliger Bimbam, dachte ich, wieso um alles in der Welt will dieser Unbekannte das von mir wissen? Doch die Intensität, mit der er seine Frage gestellt hatte, gab mir das Gefühl, dass es um mehr als Smalltalk ging. Also warf ich einen Blick aus dem Fenster und meinte: „Es ist Tag.“ Ahnend, dass er sich auch dieses Mal nicht mit einer knappen Antwort zufrieden geben würde, schob ich nach: „... und leicht bewölkt. Nicht allzu sehr, aber ganz blau ist der Himmel nicht, könnte sein, dass heute noch ein Gewitter aufkommt, was nicht schlecht wäre, weil meine Pflanzen langsam austrocknen und die Regentonne schon wieder leer ist.“ Das sei interessant, kommentierte er den Wetterbericht, wünschte mir noch einen guten Tag und hängte ein.

Seltsam, dachte ich. Doch wie es so ist, offenbaren Träume ihren tieferen Sinn häufig erst zu einem späteren Zeitpunkt. Den ersten Hinweis in diese Richtung erhielt ich durch den Reisebericht eines indischen Bekannten. „Deutschland ist ein seltsames Land, es ist lange hell hier und die Sonne geht mit prächtigem Farbenspiel ganz langsam unter“, hatte er geschrieben. In seiner Heimat wandele sich der Tag innerhalb von nur fünf Minuten in tiefste Nacht. Vom Erleben unseres sich über Stunden hinziehenden Sonnenuntergangs war er mindestens ebenso beeindruckt wie vom Reichstag und dem Brandenburger Tor. Und ich fragte mich, was er wohl zu klirrender Kälte und zugefrorenen Seen gesagt hätte.

In der Tat sorgt das hiesige Klima häufig für Wechselbäder, auf die wir, mal weniger, mal stärker, stimmungsmäßig und körperlich reagieren – man erinnere sich an das romantische Gefühl, das sich einstellt, sobald man einen Sonnenuntergang, einen Regenbogen oder das viel seltenere Polarlicht erblickt, aber auch an das schmerzhafte Ziehen, das jeder Wetterfühlige nur zu gut kennt. Vor allem aber bietet das Wetter jede Menge Gesprächsstoff: globale Erwärmung, das Ozonloch und naturgewaltige Ereignisse wie Tornados, Kugelblitze, Hagelschauer. Manchmal soll es ja sogar Frösche und Fische geregnet haben (und nicht nur die sprichwörtlichen Katzen und Hunde).

Vielleicht hat das Schimpfen über das Wetter ja das eigentliche „Rumwettern“ verdrängt

Oder die allabendlich mit Spannung erwartete Wettervorhersage, der bei den Privaten gar ein eigener Werbeblock vorgeschaltet wird. Dass sie selten eintrifft, wen stört das schon! Auch kaum eine Urlaubspostkarte ohne Auskunft über die Wetterlage: „Mir geht es gut, wie geht es dir, das Wetter ist gut, nur das Essen lässt zu wünschen übrig ...“ Seit Cosmos geheimnisvollem Anruf ist kein Tag vergangen, an dem ich nicht nach dem Wetter gefragt wurde, meist am Ende von Telefonaten, wenn gesagt ist, was zu sagen war. – Oder war das schon immer so? Vielleicht hatte ich es bis dahin einfach nicht registriert? Je mehr Aufmerksamkeit ich auf die fast schon rituelle Wetterfrage lenke, desto mehr scheint mir, dass wir dem anderen weniger über die Witterung draußen als vielmehr über uns selbst erzählen. Vielleicht hat das Schimpfen über das Wetter ja das eigentliche „Rumwettern“ verdrängt. Wie oben, so unten – und wie innen, so eben auch außen.

Dass da auch ein Zusammenhang besteht zwischen den Gehirnfrequenzen des Menschen und den ELF-Wellen, die bei Wetterphänomenen auftreten, ist längst kein Geheimnis mehr. Ist es dann das Wetter, das auf uns wirkt, oder sind wir es, die das Wetter machen? Dass das Klima manipuliert werden kann, haben schon Wilhelm Reich und seine Nachfolger mit ihrem Cloudbuster gezeigt, moderne „Regentänze“ scheinen auch die Betreiber der gewaltigen HAARP-Antennenanlage in Alaska und die Hintermänner der zuletzt heiß diskutierten Chemtrails (oder sind es vielleicht doch nur ganz ordinäre Kondensstreifen?) zu vollführen, Verschwörungstheorie hin oder her. Wieso sonst hat der Sommer aufgehört, als Deutschland aus dem Halbfinale flog, und erst wieder angefangen, als unsere Jungs ein Superspiel um den dritten Platz hinlegten? Das kann doch kein Zufall sein, dass das Wetter bei einem solch national bewegenden Geschehen nicht mitspielt!

Wie auch immer, als Resümee bleibt: Mit allem, was uns umgibt, stehen wir in Wechselwirkung und reden auch leidenschaftlich gerne darüber. Doch statt eines sinnlos dahinplätschernden Regens – nein, Redens – könnten wir „unseren“ Wetterbericht auch als persönliche Selbstauskunft verstehen lernen: „Danke, gut, aber ein bisschen frischer Wind wäre auch mal nicht schlecht ...“

→ Dieser Beitrag erschien in zeitgeist-Printausgabe 1-2007.

 


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