Kalte Fusion und BlackLight Power: Wasser als potenzielle Energiequelle

Zur Erforschung zweier neuer Verfahren der Energiegewinnung
(in der Serie "Lebenselixier Wasser")

Von HAIKO LIETZ

Wird die Energie auf dieser Erde wirklich knapp? Wie weit fortgeschritten ist die Sondierung von Alternativen zu den herkömmlichen, versiegenden Quellen, etwa der als grenzenlos geltenden „Freien Energie“? Dieser Artikel stellt den Stand der Wissenschaft zweier unterschiedlicher Energiequellen vor: zunächst die Arbeit des Japaners Yoshiaki Arata zur Kalten Fusion, heute Festkörperkernforschung. Randell Mills schlug mit seinem Unternehmen BlackLight Power einen anderen Weg ein. Die Firma ist kürzlich mit der Behauptung an die Öffentlichkeit getreten, einen Prototypen entwickelt zu haben, der deutlich mehr Energie produziert, als bislang in der Kalten Fusion erreicht werden konnte.

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Der 23. März 1989 mag sich rückwirkend als historisches Datum erweisen. An diesem Tag stellten die Chemiker Martin Fleischmann und Stanley Pons auf einer Pressekonferenz an der University of Utah der Weltöffentlichkeit die Kalte Fusion vor. Darunter versteht man die Verschmelzung von Wasserstoffatomen bei Raumtemperatur, meistens in einer Elektrolysezelle. Hauptmerkmal der Kalten Fusion ist die Produktion einer Überschussleistung: Es entsteht mehr Energie in Form von Wärme, als in Form von Strom in das System hineingesteckt wird. Darüber hinaus ist wiederholt „nukleare Asche“ gefunden worden: Bestandteile wie Helium, Tritium und vereinzelt auch Neutronen belegen eindeutig Kernreaktionen. Die Realität der Kalten Fusion wäre eine Sensation, denn als Rohstoff dient Wasser.

Wenngleich ein Hoffnungsträger für die Zukunft der Energieversorgung, kann durch Kernfusion der Lehrmeinung nach nur bei gigantischen Temperaturen und Drücken, wie sie in der Sonne zu vermuten sind, eine Energielieferung erreicht werden. Um solche Bedingungen herzustellen, werden jährlich weltweit etwa eine Milliarde Dollar in die Heiße Fusion investiert, an deren Nutzbarmachung seit 50 Jahren geforscht wird. Optimistische Schätzungen gehen davon aus, dass sie in ca. 50 Jahren für eine Grundlastdeckung zur Verfügung stehen wird.

Somit fand die Kalte Fusion 1989 weltweit Aufmerksamkeit, deutete sich doch die Möglichkeit an, das gewünschte Ziel in einer chemischen Apparatur und kalt statt in gebäudegroßen Reaktoren und heiß zu erreichen. Tatsächlich haben bis 2004 157 Experimente zur Kalten Fusion eine anomale Energieproduktion bestätigt. Doch weil Meinungsführer der Wissenschaft, allen voran Forschungslabore zur Heißen Fusion sowie das US-Energieministerium und das Wissenschaftsjournal Nature, eine ablehnende Meinung zur Kalten Fusion etablierten, sind die 157 positiven Experimente heute praktisch unbekannt.

Tatsächlich haben bis 2004 157 Experimente zur Kalten Fusion eine anomale Energieproduktion bestätigt

Als Yoshiaki Arata am 22. Mai 2008, seinem 85. Geburtstag, auf einer Pressekonferenz die Weiterentwicklung des Fleischmann/Pons-Experiments zur Kalten Fusion vorstellte, lief dies zwar nicht um die Welt, doch konnte er sich der Aufmerksamkeit seiner Kollegen in der Festkörperkernforschung sicher sein, dem Forschungsgebiet, zu dem die Kalte Fusion heute gehört. Der Präsentation ließ er eine Live-Demonstration folgen und hat ein Register veröffentlichter Bestätigungen der Kalten Fusion inklusive einer unabhängigen Reproduktion vorzuweisen. Eine Demonstration gilt als Beleg, dass das Experiment beherrscht wird und der begehrte Überschusswärmeeffekt auf Knopfdruck reproduziert werden kann.

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Stanley Pons (li.) und Martin Fleischman: Haben sie den Schlüssel für eine neue Energieversorgung im angebrochenen Jahrtausend gefunden?

Zwei unterschiedliche Forschungen knüpften sich den sensationellen Ergebnissen an: Der Japaner Yoshiaki Arata widmete sich der Kalten Fusion, vor allem der Festkörperkernforschung (Condensed Matter Nuclear Science: CMNS). Arata gilt als einer der führenden Forscher auf diesem Forschungsgebiet, das mit Nanotechnologie und Gaszellen die zukünftige Richtung weist. Randell Mills, der anfangs ebenfalls zur Kalten Fusion forschte, gründete dann aber sein Unternehmen BlackLight Power und meidet inzwischen jeglichen Kontakt zu CMNS. Seine Firma gibt vor, einen Prototypen entwickelt zu haben, der 50 Kilowatt Wärmeleistung produziert, also 100 mal mehr, als bislang in der Kalten Fusion erreicht werden konnte und genug für mehrere Wohnhäuser.

Arata ist emeritierter Professor der Osaka-Universität. Vom japanischen Kaiser erhielt er 2006 die höchste kulturelle Auszeichnung für seine Verdienste in der Hochenergiephysik, von seinen Kollegen 2005 die Giuliano-Preparata-Medaille für herausragende Leistung in der Festkörperkernforschung. Von 157 Kalte-Fusion-Experimenten, in denen mehr Wärme entstanden als etwa in Form von elektrischer Energie hineingesteckt worden sei, welche der CMNS-Veteran Ed Storms in einem Buch kürzlich zusammengefasst hat, werden fünf Arata und seiner chinesischen Kollegin Yue-Chang Zhang zugeschrieben. Das demonstrierte Experiment ist eine wissenschaftlich bislang nur japanisch beschriebene Vereinfachung dieser früheren Experimente. Nun, da Storms mit dem Betreiber des CMNS-Archivs LENR-CANR.org Jed Rothwell eine Lesehilfe zu Aratas Pressematerial gegeben hat, stellt sich auch langsam heraus, was Arata und Zhang eigentlich genau erreicht haben.

Anders als Fleischmann/Pons produzieren Arata/Zhang Deuterium nicht in situ durch die Spaltung (Elektrolyse) von schwerem Wasser, sondern leiten es gasförmig in einen Hochvakuum-Edelstahlbehälter. In diesem befinden sich sieben Gramm eines Zirkoniumoxid-Palladium-Pulvers. Sobald das Gas eingeleitet wird, steigt im Behälter die Temperatur. Diese chemische Wärme ist auf die Absorption des Wasserstoffs durch die Nanopartikel zurückzuführen. Nach etwa 20 Minuten hat das Metallpulver so viel Wasserstoff wie möglich aufgenommen. Nun beginnt der Druck in der Reaktorkammer zu steigen und gleichzeitig die Innentemperatur zu fallen, doch nähert sie sich der Außentemperatur nicht an. Mindestens zwei Tage lang bleibt der Reaktor innen heißer als außen. Innerhalb scheint es also eine Wärmequelle zu geben – eine nukleare Quelle, behaupten Arata und Zhang. Denn in einem Kontrollexperiment mit leichtem, erwartungsgemäß nuklear inaktivem Wasserstoff sind Innen- und Außentemperatur nach 100 Minuten gleich.

Ziel der Kalten Fusion ist es, Wasserstoff sich möglichst dicht und dynamisch in einem Metallgitter bewegen zu lassen. Anders als bei der Heißen Fusion, bei der die Fusionsbedingung durch eine Steigerung von Druck und Temperatur geschaffen wird, ermöglicht die Gegenwart mancher Metalle die Wasserstofffusion offenbar auch bei Raumtemperatur. Üblicherweise wird schwerer Wasserstoff (Deuterium) verwendet, da er viel fusionsfreudiger ist als leichter Wasserstoff. Fusionieren Deuteronen, entstehen unter Wärmeabgabe charakteristische Fusionsprodukte.

Um zu zeigen, dass es sich tatsächlich um eine Kernfusion handelt, präsentierten Arata und Zhang Messungen des Fusionsprodukts Helium-4 – sogenannte „nukleare Asche“, die bei der Heißen Fusion überhaupt nicht zu erwarten ist. Bislang ist das japanisch-chinesische Team allerdings jede Erklärung schuldig geblieben, wie und in welchen Mengen es Helium-4 gemessen haben will. „Die Demonstration sollte als ,Demonstration für Laien’ verstanden werden“, sagt daher der japanische Kalte-Fusion-Theoretiker Hideo Kozima.

In den 90er-Jahren hatten Arata/Zhang Elektrolyseexperimente mit Elektroden durchgeführt, die mit feinem Palladiumpulver gefüllt waren. Mit diesem Aufbau erzielten sie 1994 in einem Experiment zwölf Tage lang eine Wärmeleistung von 80 Watt und produzierten dabei 1,8-mal mehr Energie, als sie in das System hineingesteckt hatten. Auch die Produktion von Überschusswärme über ein halbes Jahr ist bei Arata/Zhang keine Seltenheit. Bereits 1995 schrieben sie, ihre Ergebnisse seien „beliebig wiederholbar“. Außerdem wird regelmäßig von den Fusionsprodukten Helium-4 und Helium-3 berichtet, Ersteres in größeren Mengen und beide immer nur bei der Verwendung von schwerem Wasser, nie in den Kontrollexperimenten.

„In den nächsten zwei Jahren könnten wir den Großteil des weltweiten Energiebedarfs abdecken“

„Als wir von diesen Ergebnissen hörten, versuchten wir es selber“, sagt Michael McKubre, „und anfangs hatten wir dabei keinen Erfolg.“ Der Direktor des Energieforschungszentrums von Stanford Research International (SRI) gilt in der Festkörperkernforschung als derjenige, der endgültig bewiesen hat, dass bei der Kalten Fusion tatsächlich mehr Energie entsteht als verbraucht wird. Der Schlüssel zur erfolgreichen Reproduktion war die Verwendung exakt gleicher Elektroden, die SRI aus Japan erhalten hatte. „Aratas Hauptaussage war die Produktion von Überschusswärme, und wir haben das in seiner Größenordnung bei Verwendung von schwerem Wasser auch bestätigt.“ Was die Fusionsprodukte angeht, seien bei SRI jedoch Spuren großer Mengen von Helium-3 gefunden worden, nicht von Helium-4. „Also gab es Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen unseren Ergebnissen und denen von Arata. Diese Diskrepanz können wir immer noch nicht erklären“, so McKubre.

Die Demonstration an der Osaka-Universität 2008 fand zwar zur Feier von Aratas Geburtstag statt, diente wahrscheinlich aber auch der Akquirierung von Forschungsgeldern. „Arata versucht ein Institut für Neue Energie in Osaka aufzubauen“, vermutet ein japanischer Wissenschaftler, der nicht genannt werden möchte, die Demonstration vor den Medien diene dazu, das zu erreichen. An der japanischen Tohoku-Universität gibt es zurzeit bereits ein vom Forschungsministerium gefördertes CMNS-Labor. Auch in China und Russland wird in diese Wissenschaft investiert. In Italien beschäftigen sich Forscher der staatlichen Forschungszentren ENEA und INFN mit CMNS und verhandeln mit privaten Kapitalgebern. In Deutschland steht die Gründung eines Instituts für Festkörperkernphysik bevor. Außerdem will eine Gruppe, die bis 1989 an der Kalten Fusion arbeitete, die Forschung wieder aufnehmen, weil stets ein Zweifel geblieben ist, ob nicht doch etwas dran sein könnte.

Kalte-Fusion-Forschung könnte weltweit bald eine Renaissance erfahren (Foto: Still aus dem Film „Fire from Water“, 1989)
Die größten Bemühungen, früherer Forschung neues Leben einzuhauchen, finden jedoch in Indien statt. Das Bhabha Atomic Research Centre (BARC) des Department of Atomic Energy (DAE), zuständig für das indische Atomprogramm und die Grundlagenforschung zur Heißen Fusion, beschäftigte Anfang der 90er weltweit die meisten Forscher auf dem Gebiet der Kalten Fusion. Zehn von zwölf Gruppen, geleitet von dem Physiker Mahadeva Srinivasan, fanden binnen Monaten Bestätigungen für den Fleischmann/Pons-Effekt. Hauptsächlich wurde Tritium gefunden, das Zerfallsprodukt von Helium-3. Integrationsfigur dieser Forschung war Direktor Padmanabha Iyengar. Als dieser BARC verließ und Vorsitzender der indischen Atomenergiekommission und damit Staatssekretär im DAE wurde, endete auch die CMNS-Forschung des Instituts. Seitdem bemüht sich Srinivasan um ihre Wiederaufnahme.

Den Durchbruch könnte im Nachhinein ein von Srinivasan am 9. Januar 2008 organisiertes Treffen darstellen, denn nach seinem Vortrag über historische Vorläufer der Kalten Fusion sowie Gastvorträgen von McKubre und dem Fachjournalisten Steve Krivit von New Energy Times sprachen sich führende indische Wissenschaftler für die Festkörperkernforschung aus. Die indische Redaktion der Fachzeitschrift Nature, deren internationale Ausgabe sonst durch Verbalattacken gegen die Kalte Fusion auffällt, teilte Iyengar mit, man habe „dem Land großes Unrecht getan, die Forschung zu stoppen“. Der ehemalige Wissenschaftsstaatssekretär Valangiman Ramamurthy meinte, „die Tatsache, dass die Kalte Fusion 19 Jahre nach ihrer Entdeckung nicht widerlegt worden ist und dass 200 Wissenschaftler in 13 Ländern daran arbeiten, sollte als Grund ausreichen, dass auch Indien wieder anfängt“.

An dem Treffen hatten erstmals auch Risikokapitalgeber teilgenommen. Als Erfolg bezeichnet Srinivasan zudem die Zusage des jetzigen BARC-Direktors, im Februar 2009 einen dreitägigen Workshop auszurichten. Er sei zuversichtlich, dass die Vorurteile gegen die Kalte Fusion zumindest in Indien nun überwunden sind. Jetzt sei noch die richtige Person zu finden, „die eine Führungsrolle einnehmen und Experimente im privaten Bereich organisieren kann“.

Wenn man dem Glauben schenken darf, was das US-Unternehmen BlackLight Power im Mai 2008 mitteilte, dann hat man dort ein revolutionäres Verfahren entwickelt, mit dem sich außergewöhnlich viel Energie aus Wasserstoffgas gewinnen lässt. Ein Teil der Energie reiche aus, um Wasserstoff aus Wasser zu gewinnen. Normales Wasser wäre damit der Treibstoff. Ein Prototyp produziere aus einem Wasserstoffgemisch „auf Knopfdruck“ 50 Kilowatt Wärmeleistung. Ebenfalls in Planung seien Einheiten zur Bereitstellung von Wasserstoff an Tankstellen. „Wir denken, dass wir den Prozess innerhalb von 24 Monaten so weit hochskaliert haben werden, dass ein Kraftwerk die Menge Wasserstoff produziert, um so viel Benzin zu ersetzen, wie an einem Tag an einer Tankstelle gezapft wird“, sagt der Firmengründer Randell Mills. Dieses wäre der Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft. Aber ist die Behauptung zu gut, um wahr zu sein?

BlackLight Power hat seinen Sitz im amerikanischen Bundesstaat New Jersey, das Unternehmen beschäftigt 25 Angestellte, davon elf Wissenschaftler. „In den nächsten zwei Jahren werden wir auf 500, vielleicht 1000 Angestellte wachsen. Dann könnten wir den Großteil des weltweiten Energiebedarfs abdecken, und die Nachfrage wird groß sein“, sagte Mills gegenüber CNNMoney.com. Der gelernte Harvard-Mediziner mit Elektrotechnikstudium am MIT gründete die Firma 1991 und ist seitdem Vorstandsvorsitzender, Präsident und Geschäftsführer. Angeblich beträgt das Stammkapital 60 Millionen Dollar, alles privat. Ein Blick in den Aufsichtsrat zeigt die Präsenz von Finanzsektor, Energieindustrie und Militär. Der Investor Jim Lenehan, Berater beim Hedge Fond Cerberus, teilte CNNMoney.com mit, BlackLight Power sei kein riskanter Teil seines Investmentportfolios mehr.

„Eine solche extreme ultraviolette Strahlung ist nicht erwartet … Man muss sich sehr verbiegen, sie zu erklären“

Mills und seine wissenschaftlichen Mitarbeiter haben mehr als 60 Aufsätze in begutachteten wissenschaftlichen Fachzeitschriften veröffentlicht. Darunter fallen theoretische wie empirische Arbeiten, meistens aber ist beides verbunden. Viele Aufsätze finden sich auf der Website der Firma. Mills hält sich also an die Spielregeln der Wissenschaft – dennoch: Seine Ergebnisse sind konventionell nicht zu erklären, und seine Theorie, die er in seinem Buch „The Grand Unified Theory of Classical Physics“ beschreibt, widerspricht der etablierten Quantenmechanik. Auf dem Prinzip basierend, dass die physikalischen Gesetze von der atomaren bis zur kosmischen Skala gleich sein sollten, und ausgehend von den Maxwell’schen Gleichungen und den Newton’schen Bewegungsgesetzen, behauptet Mills, quantenmechanische Phänomene und sogar die Gravitationskonstante treffsicher herleiten zu können.

Bekanntermaßen besteht ein Wasserstoffatom aus einem Proton im Kern und einem Elektron. Der Quantenmechanik nach ist das Elektron im Grundzustand des Wasserstoffs dem Kern am nächsten. Näher kann es nicht kommen. Wenn dem Atom Energie hinzugefügt wird, springt das Elektron auf ein höheres, präzise berechenbares Energieniveau. Wenn es wieder auf ein niedrigeres Niveau fällt, wird Licht und damit gespeicherte Energie frei. Mills sagt nun, dass es unterhalb des Grundzustands noch 137 weitere Energieniveaus gäbe. Falle ein Elektron auf eines dieser Niveaus, werde entsprechend mehr Energie frei. Wasserstoffatome unterhalb des Grundzustands bezeichnet er als „Hydrinos“. Da diese stabil seien, werde aus Wasserstoff effektiv und dauerhaft Energie gewonnen, dieser wäre damit nicht nur Energieträger, sondern auch Energiequelle.

Im sogenannten BlackLight-Prozess werde Wasserstoff gezielt dazu verleitet, Hydrino-Zustände einzunehmen. Dazu würden spezielle Katalysatoren als Energiesenken verwendet. Solche müssten die vom Wasserstoff transferierte Energie genau aufnehmen können, weswegen nicht alle Elemente infrage kämen. Wenn aber funktionierende Katalysatoren eingesetzt würden, entstehe ein unerwartetes Plasma und mehr Energie in Form von Wärme, als ins System hineingesteckte worden sei. Laut Quantenmechanik aber dürfte es überhaupt kein unterschiedliches Verhalten bei unterschiedlichen Katalysatoren geben.

Mittlerweile haben Wissenschaftler der Rowan University in New Jersey die 50-kW-Behauptung überprüft und bestätigt. Zur Produktion der entsprechenden Wärmemenge (1 Megajoule) seien 1,5 Kilogramm einer katalytischen Substanz verwendet worden. „Diese Ergebnisse sind von der konventionellen Chemie her unerwartet, sie könnten bestätigen, dass BLP-Wissenschaftler tatsächlich eine neue Technologie zur Gewinnung von Energie aus dem Wasserstoffatom entwickelt haben“, wird in einem kürzlich veröffentlichten Zwischenbericht gefolgert. Kontrollierte Experimente sind von Studenten unter der Leitung des Engineering-Professors Peter Jansson in Rowan-Laboren unter anfänglicher Beratung von BlackLight-Wissenschaftlern durchgeführt worden. Die erfolgreichen Experimente zeigten Jansson zufolge, „dass die BlackLight-Ergebnisse von unabhängigen Wissenschaftlern reproduziert werden können“. Noch ist nicht klar, ob es sich um eine von BlackLight beauftragte Studie handelt.

Um für sich mehr Gewissheit zu erlangen, hatten Greenpeace und andere Umweltorganisationen 2005 eine unabhängige Einschätzung bei der University of North Carolina in Auftrag gegeben. Der Chemiker Richard Maas und der Physiker Randy Booker erhielten fünf Tage lang uneingeschränkten Zugang zur BlackLight-Power-Einrichtung und führten ihre eigenen Messungen durch. „Wir sind mit gesunder Skepsis an die Sache herangegangen“, sagte Maas gegenüber dem Guardian,„doch wir finden Dr. Mills Daten sehr überzeugend.“ In ihrem Bericht schrieben sie, „all unsere Messungen brachten Ergebnisse, die mit den von Mills et al. zuvor berichteten übereinstimmen“. Greenpeace-Forschungsdirektor Kert Davies zeigte sich daraufhin „vorsichtig optimistisch.“ Man glaube, der Prozess habe „das Potenzial, unsere Abhängigkeit vom Öl zu beenden“.

Kritiker wenden ein, dass solche Bestätigungen nicht wirklich als „unabhängig“ zu bezeichnen sind, weil BlackLight Power entweder beratend zur Seite stand oder die Experimente in deren Labor stattfanden. Beides hat der Greifswalder Physikprofessor Johannes Conrads vermieden. Der Plasmaforscher interessierte sich persönlich für diese Arbeit, doch sein jahrzehntelanger Arbeitgeber, das Forschungszentrum Jülich, fürchtete einen Imageschaden, wenn er experimentell tätig werde. Ein offenes Ohr fand er 2001 an der Ruhr-Universität Bochum unter der Bedingung, dass es nicht um Mills „wilde Theorie“ gehe. Doch Mills Plasmalampe brannte. „Ich erinnere mich noch gut an den Sonnenbrand einen Tag später“, sagt der involvierte Bochumer Physiker Thomas Wrubel. Die BlackLight-Reaktion produziert intensives ultraviolettes Licht. „Eine solche extreme ultraviolette Strahlung ist nicht erwartet“, kommentiert Gerrit Kroesen von der Technischen Universität Eindhoven, der den BlackLight-Prozess derzeit selber studiert. „Man muss sich sehr verbiegen, sie zu erklären.“

Conrads und Wrubel versuchten dem mysteriösen Leuchten mit fundierten, anerkannten Methoden auf den Grund zu gehen. Dazu modifizierten sie sogar das Experiment. Ein Jahr lang arbeiteten sie immer mal wieder an dem Experiment, aber Erklärungen für das Plasma haben sie nicht gefunden, denn „die Mindestenergie war eigentlich dafür nicht vorhanden. Entweder haben wir eine neue chemische Reaktion, die wir nicht so tief analysieren konnten, oder es ist sonst irgendetwas Komisches“, sagt Wrubel, der heute nicht mehr in der Forschung arbeitet, rückblickend. Zur Veröffentlichung der Ergebnisse 2003 wurde Mills als Koautor hinzugenommen, weil er das Reaktionsgefäß zur Verfügung gestellt hatte.

Die experimentellen Ergebnisse von BlackLight Power ernst zu nehmen, davon lassen sich noch viele Wissenschaftler aus theoretischen Erwägungen abhalten. Sollte das Unternehmen aber tatsächlich eine Technologie entwickelt haben, mit der Wasser letzten Endes zu einem Treibstoff wird, wäre alle Theorie zweitrangig. Viele Blicke richten sich nun auf die Arbeit des niederländischen Physikprofessors Kroesen. „Vollkommen unabhängige“ Experimente hätten gerade begonnen, und er wolle nichts veröffentlichen, was nicht absolut gesichert sei. „Von einem Wissenschaftler wird immer erwartet, dass er sorgfältig und sauber arbeitet. Aber bei diesem Thema ist es sogar noch notwendiger.“ Doch auch seine Forschung läuft langsam, ohne eigenes Budget, mit Studenten und hier und dort geliehenem Equipment.

Nach 20 Jahren Festkörperkernforschung kann mit Nachdruck gesagt werden, dass die Kalte Fusion eine Energiequelle ist

Aratas öffentliche Demonstration der Kalten Fusion warf Anfang 2008 die Frage nach dem Status des Forschungsgebiets auf. Für Srinivasan, der sich davon erhofft, in Indien die Forschung schneller wiederbeleben zu können, zeigt Aratas Forschung die Wichtigkeit von Nanotechnologie. Solange es kein Experiment gebe, das jeder überall reproduzieren kann, stecke man noch in der Grundlagenforschung. „Aber in dem Moment, wo jemand ein Gerät vorführt, das eingeschaltet und jedem demonstriert werden kann, wird die Forschung ganz sicher durchstarten“, sagt Srinivasan. „Das kann jederzeit passieren, und wir bereiten uns darauf vor.“

Die Analyse der bisherigen 157 Experimente, in denen Überschusswärme gemessen wurde, bietet indes weder Anhaltspunkte für eine typische erzielbare Wärmeleistung noch für eine obere Grenze. Gelegentlich seien größere Leistungsdichten (gemessen in Watt pro Kubikzentimeter Metall) als bei Spaltungsreaktionen in Kernkraftwerken gemessen worden. Im bislang ertragreichsten Experiment wurden 1998 – ausgerechnet mit normalem Wasser und Wolfram statt Palladium – 183 Watt Überschussleistung erzielt.

Nach 20 Jahren Festkörperkernforschung kann mit Nachdruck gesagt werden, dass die Kalte Fusion eine Energiequelle ist. Nun, da dieses eindeutig erkannt ist, kommt es auf den politischen und wirtschaftlichen Willen an, ihr Potenzial zu erforschen und zu entwickeln. Die Ergebnisse Aratas sowie von BlackLight Power geben Hoffnung, dass die erreichbare Leistung tatsächlich im brauchbaren Bereich liegen kann. Doch ohne die Installierung eines systematischen Forschungsprogramms wird weiterhin wertvolle Zeit verstreichen – und Wasser als Energiequelle letztendlich verkannt werden.

→ Eine gekürzte Fassung dieses Beitrags erschien vorab in zeitgeist-Printausgabe 1-2009.


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