Enthüllt: Femen

Von FRIEDERIKE BECK

Spätestens seit ihrem barbusigen Intermezzo im Finale von Heidi Klums „Germany’s next Topmodel“ haben sie auch in Deutschland Breitenwirkung erzielt: Femen. Für die Oben-ohne-Protestlerinnen war dieser Auftritt jedoch eher ein Nebenkriegsschauplatz. Gegründet wurde die politische Aktivisten-Feministen-Truppe, die auch mit Pussy Riot sympathisiert, in der Ukraine. Allerlei Gerüchte ranken sich um ihre Ursprünge. Doch wer steckt wirklich hinter Femen? Und wer finanziert die aufdringlichen Nackedeis? zeitgeist-Autorin Friederike Beck, hat sich aufgemacht, die Wahrheit zu entblößen. Enthüllung einmal anders.

Gibt man in einer gängigen Internet-Suchmaschine „Russland“ und „Störungen“ ein, erzielt man 950.000 Treffer; bei „Putin“ und „Störungen“ sind es immerhin noch 110.000. Der Hit ist: „Deutschland kritisiert Russland“, der Satz kommt auf über fünf Millionen Übereinstimmungen. Was wurde in den ersten Apriltagen dieses Jahres nicht alles gestört: Die Arbeit von Stiftungen, Nichtregierungs-, Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen in Russland, die aus dem Ausland Geld beziehen, das deutsch-russische Verhältnis und der Besuch des russischen Regierungschefs auf der Industriemesse in Hannover. Die fleischgewordenen Störung war der Durchbruch vierer barbusiger Femen-Aktivistinnen: Olexandra Schewtschenko, Oxana Tschatschko, der Hamburgerin Josephine Witt und der Berlinerin Klara Martens durch den deutschen Sicherheitscordon. 

Die Amazonen warfen sich auf der Hannovermesse dem neben Angela Merkel in einem Pulk deutscher Industrieller stehenden Putin entgegen, ihre Leiber waren mit Schmähungen gegen den „Diktator“ bemalt.1 Schewtschenko, eine der Femen-Anführerinnen und Chefin der erst im März frisch gegründeten Deutschland-Sektion, wirbelte sich kreischend bis auf einen Meter an den russischen „Lügner“ heran. Putin rührte sich nicht von der Stelle, schürzte die Lippen und richtete mit Kennermiene beide Daumen nach oben – eine unerträgliche Geste für die einen, Anlass zu breitem Grinsen für die anderen. Das Ergebnis der Nacktaktion war jedoch, dass man nur noch über Femen, nicht jedoch über den Stand der deutsch-russischen Beziehungen sprach. Femen war erfolgreich dazwischen gegangen.

Die heute „sextremistische“ Femen wurde, so die offizielle Version, 2008 von einer Ökonomin und Show-Business-Managerin in der Ukraine gegründet

Wie es überhaupt zu einer derart gestörte Sicherheit kommen konnte, gibt Anlass zum Nachdenken, vor allem aber – spätestens seit Hannover – das Femen-Phänomen an sich. Wer sind sie? Woher kommen sie? Und was wollen sie? Darf man sich auf mehr gefasst machen?

Anna Hutsol, Femen-Gründerin (Bildquelle: Wikimedia Commons)

Die heute „sextremistische“ Femen wurde, so die offizielle Version,2 2008 von Anna Hutsol, einer Ökonomin und Show-Business-Managerin in der Ukraine gegründet. Drei Mädel mit Modelfigur –, die bereits oben erwähnten Oxana Tschatschko und Olexandra Schewtschenko sowie Inna Schewtschenko (nicht verwandt mit der zuvor genannten), alles Studentinnen der Kiewer Universität, taten sich mit ihr zusammen, um gegen Sextourismus und die sexuelle Ausbeutung der Ukrainerinnen zu protestieren, die zu Hunderttausenden nach Europa und die Türkei in die Prostitution geschleust wurden und werden. (Mit der Affaire Michel Friedman wurde dieses Problem 2003 auch einer größeren deutschen Öffentlichkeit bewusst.)

Vor diesem offiziellen Gründungsdatum scheinen die Kiewerinnen mit wesentlich weniger schrillen und eher unpolitischen Protesten begonnen zu haben. So sprangen sie z. B. nur leicht bekleidet in einen Brunnen, um gegen die mangelhafte Trinkwasserversorgung und fehlendes Toilettenpapier in Studentenwohnheimen zu protestieren. Doch dies änderte sich bald.

Zunächst traten die Femen-Aktivistinnen in einer Stilmischung aus barbusiger Amazone, romantischem ukrainischem Bauenmädchen und neuheidnischer Maid des „Bundes für Leibeszucht“ auf. Allerdings setzen sich die Ukrainerinnen schon damals nicht den Blumenkranz auf, um nach altem slawischem Brauch zur Sommersonnenwende an das Ufer von Flüssen und Seen zu wandern, dort den Kranz abzunehmen, im schwarzen Wasser schwimmen zu lassen und sich aus der Richtung, in die der Kranz treibt, einen Hinweis auf ihren zukünftigen Ehemann zu erhoffen. Nein, die Femen-Mädchen hatten es auf die Männer abgesehen. Doch was in der Anfangsphase und vor 2008 mit verständlicher Kritik anfing, mündet heute zunehmend in gewalttätige Fantasien gegen Männer und drastische Agitprop-Darstellungen3, in denen männlichen Hassfiguren wie dem russischen Präsidenten oder Patriarch Kirill mit der Kettensäge der Hals abgeschnitten wird. Um nichts weniger geht es heute, als die Abschaffung des Patriarchats und die Errichtung des Matriarchats.

Vom feministischen Blumenmädchen zum Kettensägen-Massaker an unliebsamen Männern (Bildquelle: le nouvelles news)
Zunächst traten die Femen-Aktivistinnen in einer Stilmischung aus barbusiger Amazone, romantischem ukrainischem Bauenmädchen und neuheidnischer Maid des „Bundes für Leibeszucht“ auf

Das vehemente Auftreten von Femen könnte man als Gegenbewegung gegen die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion massenhaft erscheinende hyperfeminine, postsowjetische Frau sehen, die – nach der letzten Mode gestylt – nur Shoppen und Schönheit im Sinn hat und in aller Welt auf der Suche nach ihrem Oligarchen ist, der ihr auf immer ihre Lebensprobleme löst und den gewünschten Lebensstandard bietet.

Unübersehbar sind bei der Selbstdarstellung von Femen noch sowjetische Stilelemente, z. B. das des siegreichen „neuen“ Menschen und die dramatisch-übersteigerte Geste der „Mutter-Heimat“, wie sie in bekannten Heldenstatuen zu bewundern ist (siehe Abbildungen unten).

Links: Die 1967 in Wolgograd errichtete 85 m hohe Betonstatue der „Rodina Mat“ (Mutter-Heimat), die an Stalingrad erinnern soll. Rechts: Mutter-Heimat-Statue in Kiew (Bildquelle: jeweils Wikimedia Commons)

Nachfolgend das aktuelle Femen-Manifest: Aus einer Frauengruppe, welche Ukrainerinnen vor der Prostitution schützen wollte, wurde eine angeblich „globale“ Bewegung aus heldenhaften „Soldatinnen“. Wie kam es zu dieser Radikalisierung? Wem dient dieser Schwulst?

Das Femen-Manifest

Femen – ist eine globale Frauenbewegung.
 
Femen – ist der Name der berühmten Skandal-Organisation von Oben-ohne-Frauen-Aktivisten, die mit ihrer Brust sexuelle und soziale Gleichberechtigung in der Welt verteidigen. 
 
Femen-Aktivistinnen – sind moralisch und körperlich fitte Soldaten, die jeden Tag zivile Aktionen von höchster Schwierigkeit und größter Provokation durchführen. 
 
Femen ist Gründer einer neuen Welle des Feminismus des 3. Jahrtausends und hat in der ganzen Welt Anhänger. Das Symbol der Organisation – ein Blumenkranz, der den Kopf kühner Frauen auf allen fünf Kontinenten schmückt.
 
Femen – ist der Name der neuen Frau.
 
Femen – ist die neue Amazone, die fähig ist, die Fundamente der patriarchalischen Welt mit ihrem Intellekt, ihrem Sex, ihre Wendigkeit, ihrem Unordnung-Machen zu untergraben, indem sie der Männerwelt Neurose und Panik bringt. 
 
Femen – ist die Fähigkeit, die Probleme der Welt zu fühlen, sie mit nackter Wahrheit und bloß liegenden Nerven zu schlagen. 
 
Femen – das sind heiße Brüste, ein kühler Kopf und saubere Hände. 
 
Femen zu sein – das bedeutet, jede Zelle deines Körpers für einen unnachgiebigen Kampf gegen Jahrhunderte der Versklavung von Frauen!
 
Femen – ist die Ideologie des SEXTREMISMUS.
 
Femen – ist eine neue Ideologie des sexuellen Frauenprotests mithilfe extremer Oben-ohne-Kampagnen in direkten Aktionen. 
 
Femen – ist Sextremismus zum Schutz von Frauenrechten, Demokratie-Wachhunde, die das Patriarchat in all seinen Formen angreifen: die Diktatur, die Kirche, die Sexindustrie.
 
Die Magie des Körpers weckt Interesse, der Mut der Handlung macht dir Mut standzuhalten.

Los, geh oben-ohne und gewinn!

 

Quelle: Femen-Homepage

Auch sowjetische Stilelemente: Der „neue“ Mensch ist bei Femen die „neue Frau“, mit der siegreich hochgereckten Faust … (Bildquelle: Bildschirmkopie der Femen-Homepage femen.org)
 

Femen war durch eine Aktion gezwungen, ihren Hauptsitz aus der Ukraine weg zu verlegen, als sich die Frauengruppe letztes Jahr mit ihren Schwestern im Geiste, den in Haft genommenen Mitgliedern von Pussy Riot, solidarisierte: Inna Schewtschenko tat dies so absurd wie medienwirksam im August 2012 mit dem Absägen eines Gedenkkreuzes in Kiew, das an die Opfer des Stalinismus erinnern soll. Damit zeigte sie einen erschreckend niedrigen Horizont, waren doch in der Ukraine allein im Zuge der Zwangskollektivierung in den Jahren 1932/33 im sogenannten „Holodomor“ oder „Hungerholocaust“ etwa fünf Millionen Ukrainer verhungert (einige Historiker sprechen sogar von 14,5 Millionen Opfern).4 Das erst 2005 errichtete schlichte Gedenkkreuz konnte wohl niemanden außer Femen provozieren. 

Bild ganz oben: Inna Schewtschenko in blasphemischer Pose im August 2012 in Kiew (anlässlich der Verhaftung der Pussy-Riot-Mitglieder, Bildquelle: politikus.ru). Bild oben: Femen-Slogan: „Sägt die Kreuze nieder, um die Generation zu retten.“ (Bildquelle: mizozo.com)
 

Das neue antichristliche Moment bei Femen ist unübersehbar. Hier nur Nachklänge aus Sowjetzeiten zu vermuten, in denen Christen unterdrückt und verfolgt wurden, wäre zu kurz gegriffen. Es ist vielmehr Anzeichen eines neuen, aggressiven Materialismus, der sich in reflexhafter Oberflächlichkeit gegen jede traditionelle oder natürliche Ordnung richtet.

Das neue antichristliche Moment bei Femen ist unübersehbar

Im Zuge der Strafermittlungen wegen Schändung des Kiewer Gedenkkreuzes drohte Schewtschenko nunmehr Gefahr in ihrer Heimat. Sie beschloss, die Ukraine zu verlassen und wurde mit offenen Armen in Paris empfangen, wo sie und einige Mitstreiterinnen im September ihr erstes Auslandsbüro, das neue Hauptquartier, eine Art Ausbildungslager für Interessentinnen aus der ganzen Welt, in einem stark muslimisch geprägten Viertel eröffneten. Fitnesstraining, Kampfsport und psychologische Schulung gehören zum Schulungsprogramm der zukünftigen Amazonen.5 Bereits wenige Monate später, im März 2013, kam Femens erstes Buch bei dem französischen Verlag Calmann-Lévy heraus.

An erster Stelle der Verfasserliste des Gemeinschaftswerks firmiert jedoch nicht eine der Aktivistinnen, sondern eine gewisse Galia Ackerman, eine politische Journalistin, Übersetzerin, Aktivistin und Bloggerin bei der Huffington Post russisch-jüdischer Herkunft, die seit langem als straffe Putin-Gegnerin bekannt ist.6 Sie war u. a. an der Skandalisierung des Falles der 2006 getöteten Journalistin Anna Politkowskaja beteiligt, deren Ermordung bis heute in den westlichen Medien Putin persönlich, mindestens jedoch dem Klima, das er geschaffen habe, angehängt wird.

Galia Ackerman: Emigrantin, Pariser Femen-Helferin und Putin-Gegnerin (Bildquelle: Facebook)
 

Untersucht man Ackermans Umfeld, stellt sich heraus, dass sie zu einem Kreis (russisch-)jüdischer Intellektueller gehört, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, dem Russland der Nach-Jelzin-Zeit den Weg zurück in die Diktatur zu attestieren und massive Wahlfälschungen, Verfolgung von „Meinungsverbrechen“, die Einkerkerung „politischer Gefangener“, ja, politische Morde und – im Zusammenhang mit den beiden Tschetschenienkriegen – „Genozid“ vorzuwerfen; ein Drittel der tschetschenischen Bevölkerung sei möglicherweise von Putin umgebracht worden. Mit „Meinungsverbrechern“ und „prisoners of conscious“ meint diese Intellektuellengruppe z. B. Michail Chodorkowski, dessen Wirtschaftsvergehen den russischen Fiskus immerhin um Milliardensummen brachten; zu den durch den russischen „Diktator“ Verfolgten gehören auch die russische Aktivisten-Gruppe „Pussy Riot“ und natürlich Femen.

Dem Buchtext sind einige Erklärungen vorangestellt: „Unser Gott ist eine Frau, unsere Mission ist der Protest, unsere Waffe ist die Brust. Unser Ziel ist der totale Sieg über das Patriarchat … Wir wollen die wichtigsten Einrichtungen des Patriarchats unterminieren, die Diktatur die Sexindustrie und die Kirche, indem wir die Institutionen der Lächerlichkeit preisgeben bis zu ihrer totalen moralischen Kapitulation. Über die Finanzierung heißt es: Die Bewegung ist von keinem Sponsor abhängig und lehnt aus prinzipiellen Gründen alle finanzielle Hilfe von politischen Parteien, religiösen Organisationen und anderen Lobbystrukturen ab.“

Links: Femen-Buch: Ackerman wird als Autorin an erster Stelle genannt. Rechts: Kampagne für das Femen-Buch in einer Pariser Buchhandlung im März 2013 (Bildquelle: Facebook)

 

Die gut vernetzte Galia Ackerman hat offensichtlich die Femen-Mitglieder in Paris „adoptiert“; sie werden nunmehr von der erfahrenen Journalistin publizistisch betreut und vor ihren politischen Karren gespannt. Seit Februar dieses Jahres tritt Inna Schewtschenko ebenfalls in der Huffington Post als Autorin auf. Auffällig ist die Tendenz der Intellektuellengruppe, alle angeblichen Opfer Putins zu wahren Leidensheroen aufzubauschen. Ob Chodorkowski, Pussy Riot oder zuletzt Femen, ihr Kreuzweg lässt den des Heilands unbedeutend erscheinen. Stimmt die politische Richtung, läuft das publizistische Gebläse Ackermans und ihrer Meinungsgenossen auf Hochtouren.

Die beiden Tschetschenienkriege weisen große Ähnlichkeit mit dem aktuellen Stellvertreterkrieg in Syrien auf

Aus dem Tod Anna Politkowskajas wurde noch das letzte Quäntchen politische Dividende herausgequetscht: Im Film „Lettre à Anna“ (2008) des in Paris geborenen Schweizers Eric Bergkraut wird denn auch der Fall Politkowskaja als politischer Mord Putins, dargestellt. Bergkraut produzierte mit „Coca – Die Taube der Tschtschenen“ schon 2005 einen ebenfalls stark emotionalisierenden pro-tschetschenischen Film, in dem auch Anna Politkowskaja zu Wort kam und der gleichermaßen geeignet war, anti-russische Gefühle zu wecken. Wer keine Hintergrundkenntnisse der Situation in Tschetschenien nach dem Zusammenbruch der UdSSR besitzt, wird die größeren Zusammenhänge durch Bergkraut sicher nicht erfahren.

Links: Auch der ehemalige Schachweltmeister Gari Kasparow gehört zum „Anti-Putin-Aktionsbündnis“. Hier im Film „Lettre à Anna“, von Eric Bergkraut. Kasparow: „Das letzte Argument des Diktators gegen diejenigen, die anderer Meinung sind, ist ein Schuss.“ Rechts: Eric Bergkraut, Produzent des Films „Lettre à Anna“ (Bildquelle: Standbilder aus „Lettre à Anna“)
 

Die beiden Tschetschenienkriege (1994–1996 bzw. 1999–2009) weisen große Ähnlichkeit mit dem aktuellen Stellvertreterkrieg in Syrien auf: Hier wie dort wurden islamistische Gotteskrieger mit saudischem Geld ausgestattet, um einen Bürgerkrieg zu befeuern. Kein Wort von ausländischer Einmischung mit dem Ziel der Destabilisierung des Kaukasus, erzwungener Islamisierung, Verfolgung und Exodus von Minderheiten. Dass es in den Kriegen zu Gräueltaten auf russischer wie tschetschenischer Seite kam, wird niemand bestreiten; eine einigermaßen ausgewogenen Beurteilung des Konflikts ist jedoch von Bergkraut nicht intendiert, ebenso wenig im Fall Chodorkowski, über den er auch einen Dokumentarfilm drehte.7 Auch hier wird ausgeblendet, dass der zu Straflager verurteilte Chodorkowski, der bereits im nächsten Jahr frei kommen wird, versucht hatte, sein Unternehmen Jukos, mithin ehemaliger russischer Staatsbesitz, an die US-Ölkonzerne ExxonMobil und Chevron Texas zu verkaufen, was im Endergebnis zur Anklage durch die russischen Behörden führte.

Einen guten Überblick über die französische Anti-Putin-Gruppe konnten man sich durch die Veröffentlichung eines offenen Briefs am 31. Mai 2012 in Le Monde verschaffen,8 der eine sofortige Freilassung aller russischen „politischen Gefangenen“ forderte. Unterzeichnet war er von den Intellektuellen Bernard-Henri Lévy, Daniel Cohn-Bendit, Bernard Kouchner, André Glucksmann, Michel Hazanavicius, Bérénice Bejo, Enki Bilal, Pascal Bruckner, Nicolas Bedos, Nicole Bacharan, Dominique Simonnet, Galia Ackerman, Stanley Greene sowie von der Association Russie-Libertés, einem russisch-französischen Aktivistenzusammenschluss mit Internetpräsenz, auf der auch „Femen“ zum Thema erhoben wurde. Und was die dem Brief an Putin beigefügte Liste „seiner politischen Gefangenen“ angeht: Es kann kaum erstaunen, dass sich darauf auch die Namen zweier Pussy-Riot-Mitglieder finden.

Femen will uns glauben machen, sie unterhielten sich mit Spenden der Anhängergemeinde und dem Verkauf von Fanartikeln

Zurück zu Femen: Ein Hauptquartier, Reisetätigkeit. Wer finanzierte eigentlich die Femen-Aktivitäten bislang? Wer bezahlt die Mieten und die Frauen selbst, die Vollzeit arbeiten?

Femen will uns glauben machen, sie unterhielten sich mit Spenden der Anhängergemeinde und dem Verkauf von Fanartikeln, z. B. „Boobographs“, sogenannten Busenprints. Es halten sich jedoch Gerüchte,9 einer der Femen-Gönner sei der millionenschwere US-amerikanische Medienmagnat Jed Sunden gewesen, der 2004 die orangene Revolution in der Ukraine förderte und dem u. a. die englischsprachige „Kyiv Post“ bis 2009 gehörte.10 Sunden ist ein Unternehmer mit strikt neoliberalen Ansichten – für niedrige Steuern und den „minimal state“. Er trat für die Zerstörung sowjetischer Denkmäler ein. Neben geschäftlichen hat er offensichtlich auch politische Interessen in der Ukraine: Aus seiner kritischen Haltung gegenüber dem Kreml machte er nie einen Hehl und betonte stets die Gefahren, die für die neu gewonnene Unabhängigkeit der Ukraine von Russland angeblich ausgingen, auch in Blogs und persönlichen Kolumnen.11

Titelblatt des Berichts der US-Regierungskommission für die Erhaltung des amerikanischen Erbes im Ausland aus 2005, an der Jed Sunden beteiligt war
 

Den gebürtigen Brooklyner und Geschichtsstudent führte es 1993 angeblich „durch Zufall“ in die Ukraine, wo er eigenen Angaben zufolge für ein historisches Privatprojekt ein Register jüdischer Friedhöfe in der Ukraine erstellen sollte.12 Tatsächlich geschah dies wohl eher im Rahmen eines Programms der amerikanischen Regierung, konkret der United States Commission for the Preservation of America’s Heritage abroad (Kommission der Vereinigten Staaten zur Bewahrung von Amerikas Kulturerbe im Ausland). Die USA zählen zum „amerikanischen Kulturerbe“ ganz offensichtlich auch Denkmäler (Synagogen, Friedhöfe u. a.) der ukrainisch-jüdischen Gemeinden, die durch den Holocaust dezimiert wurden und durch spätere Auswanderung nach Israel, die Vereinigten Staaten und Deutschland stark litten. Unterstützt wurde die Arbeit der in Washington ansässigen US-Commission vom World Monuments Fund (WMF) und dessen Unterabteilung Jewish Heritage Council (jetzt Jewish Heritage Program). Die Feldarbeit vor Ort leitete u. a. Jed Sunden im Auftrag des Jewish Preservation Committee of Ukraine.13 

Etwas freimütiger gab Sunden Auskunft über seine Vermögenslage: Auf einer Liste erfolgreicher Ausländer in der Ukraine („The most successful expats“), welche Kyiv Post 2010 erstellte, nimmt der 16,5 Millionen Dollar schwere Sunden Platz 8 in der Kategorie „Einfluss“ und Platz 9 bei „Reichtum“ ein. Die Zeitung berichtet auch, Sunden sei auf dieselbe Schule gegangen wie Präsident Obamas ältester Berater David Axelrod: die Manhattan Stuyvesant High School.

Femen-Sprecherin Anna Hutsol beschreibt ganz freimütig, wie Jed Sunden die Gruppe bald nach ihrer Gründung kontaktierte und ihr Sponsor wurde

Im Jahr 2002 erboste Sunden den damaligen ukrainischen Präsidenten Leonid Kutschma dermaßen mit seiner kontroversen Berichterstattung, dass er ihn, auf dem Rückweg von einem USA-Aufenthalt, nicht mehr ins Land ließ. „Nur die Intervention höchster US-Regierungskreise ermöglichte seine erneute Einreise“, so die Kyiv Post.14

Am 29. April 2010 berichtete eben jene Zeitung über Femens Absicht, eine politische Partei zu gründen. Darin beschreibt Anna Hutsol ganz freimütig, wie Sunden die Gruppe bald nach ihrer Gründung kontaktierte und ihr Sponsor wurde: „Jed war die erste sehr einflussreiche Person, die auf uns aufmerksam wurde, uns mit allen Ressourcen, die er hatte, half, und nützliche Ratschläge erteilte, großzügig spendete und uns sagte, dass wir speziell seien. Jed war die allererste Person, die uns bei der Werbung für unsere Organisation und der Einrichtung unserer Webseite half. Wir nannten ihn immer ‚Femen-Post‘ [engl. post = Pfosten, Säule; Wortspiel mit dem Namen der Kyiv Post]‘, sagte Hutsol. Sunden bekräftigte, dass er mehr als nur ein Fan von Femen ist: ‚Ich bestätige hiermit, dass ich Femen Geld gebe‘, bedeutete Sunden. Ich werde aber die Summe nicht bekannt geben. Nachdem ich mich mit Anna Hutsol getroffen hatte, war ich beeindruckt von ihren Ideen und wurde ein Förderer. Ich glaube, Anna ist eine junge, unabhängige Stimme in der Ukraine. Obwohl ich nicht mit allen ihren Positionen übereinstimme, denke ich, es ist wichtig, ihr und Gruppen wie der ihren Unterstützung zukommen zu lassen.‘“15

Seltsamerweise wird trotz dieser ganz klaren Stellungnahme beider Protagonisten, die Finanzierung Femens durch den US-Amerikaner immer noch ins Reich der Spekulation verwiesen. Erfreulicherweise druckte auch Il Foglio unlängst eine schriftliche Bestätigung des Sunden-Mäzenatentums ab: Die italienische Illustrierte hatte sich gefragt, wie es möglich sei, dass Femen seinen Mädels angeblich bis zu 1000 Euro am Tag ausbezahlt und daraufhin Jeff Sunden kontaktiert. Am 15. März 2013 druckte sie eine Antwort von dessen Assistentin Valeriya Kirchanova: 

„Wir informieren Sie hiermit, dass Herr Jed Sunden seit Dezember 2011 nicht mehr mit Femen zusammenarbeitet oder ihre Aktivitäten in irgendeiner Weise unterstützt. Jed Sunden hat Femen wirtschaftlich direkt nach Gründung der Gruppe viele Jahre lang unterstützt, dabei hat er bei ihren Themen einzig das der Aufklärung über den Sextourismus in der Ukraine gefördert. Er glaubte außerdem, dass Anna Hutsol sehr effizient war in der Anwendung einzigartiger Methoden, die öffentliche Meinung in der Ukraine wie im Ausland mit dieser Art Themen zu schocken. In letzter Zeit hat Femen in ihren Kampagnen um Themen wie die Religion, die Fußball-Europameisterschaft 2012 und die Politik erweitert. In der Folge war Jed Sunden der Meinung, Femen habe durch die Ausweitung ihres Handlungsfelds das Wesentliche in ihren Aktionen verloren, die in einigen Fällen auch die religiösen Überzeugungen anderer verletzten. Jed Sunden hat daher beschlossen, die Finanzierung von Femen einzustellen.“16

Die Femen-Mädchen kämen in Paris sogar auf eine wesentlich höhere Entlohnung: 2500 Euro Grundgehalt und 1000 Euro am Tag für Protest-Stunts seien drin

Mit diesen Stellungnahmen ist geklärt, dass Femen jahrelang von einem US-Amerikaner finanziert wurde. Wie glaubhaft Sundens jüngste Behauptung ist, er habe Femen quasi nur selektiv für die Kampagnen gegen den Sextourismus finanziert, kann an dieser Stelle nicht weiter überprüft werden. 

Über die im obigen Il-Foglio-Artikel genannten 1000 Euro je Aktivistin im Monat hinaus kämen die Femen-Mädchen einer ukrainischen Quelle zufolge in Paris sogar auf eine wesentlich höhere Entlohnung: 2500 Euro Grundgehalt und 1000 Euro am Tag für Protest-Stunts seien drin.17 Hinsichtlich der aktuelle Femen-Finanzierung bleibt für weitere journalistische Recherche offensichtlich noch Raum.  

Ausschnitt eines Artikels, der über Jed Sundens Besuch der jüdischen Gemeinde in Kriwoj Rog bei Kiew und der Synagoge von „Beis Stern Shulman“ berichtet; hier Sunden (ganz oben und im unteren Bild rechts) beim Betrachten von Exponaten Michail Marmers im jüdischen Museums (Quelle: Bildschirmkopie von jewish.kiev.ua)
 

Jed Sunden war auch noch in ganz anderer Richtung aktiv, nämlich als „Freund und Förderer“ einer jüdischen Gemeinde in Krivoy Rog, wie obige Bilder zeigen. Sein Besuch gerade in dieser Gemeinde ist insofern interessant, als sie zur Glaubensrichtung der sogenannten Chabad-Lubawitscher gehört, die den verstorbenen chassidischen Rebben Menachem Mendel Schneerson verehren. Die chabad-chassidische Bewegung hat ihren Ursprung im Westrussland des 19. Jahrhunderts.18

Jed Sunden unterstützt(e) die Chabad-Lubawitscher – und Femen. Wie passt das zusammen? (Im Bild: Rabbi Menachem Mendel Schneerson, Lichtgestalt der Chabad-Lubawitscher; Bildquelle: Wikimedia Commons)
 

Viele der streng messianisch-orthodoxen Lubawitscher hatten den 1994 in New York verstorbenen Schneerson sogar als Messias verehrt. Wenn man sich vor Augen hält, welch äußerst traditionelles Frauenbild diese Gemeinden vertreten, muss man sich an dieser Stelle schon fragen, wie Jed Sunden diesen Spannungsbogen aushielt: Sundens Engagement für den orthodox-jüdischen Glauben im Sinne des Lubawitscher Rebben scheint seiner Femen-Förderung über vier Jahre offensichtlich nicht entgegengestanden zu haben.

Im Zuge des immer professionelleren Auftretens Femens hat die Frage nach ihrer Finanzierung zu weiteren Nachforschungen geführt: Einer Journalistin des ukrainischen TV-Senders 1+1 gelang es, sich bei Femen zu bewerben bzw. rekrutieren zu lassen. Bald darauf wurde sie schon nach Paris entsandt, um an einem Topless-Stunt in einem muslimischen Viertel mitzuwirken. Die Ausgaben pro Aktivistin lagen pro Kopf bei 1300 Dollar (Flug, Hotel, Taxis, Essen), so die 1+1-Journalistin. Femens Hauptquartier sei seit 18. September 2012 mit Einverständnis der französischen Behörden offiziell in Paris registriert, im ehemaligen Theater Lavoir Modern. Dort koste allein die monatliche Miete 2500 Dollar, dazu komme ein monatliches Salär für jedes Mitglied von 1000 Dollar. Die Reportage über Femen im Kanal 1+1 kam zu dem Schluss: „Die nackten Brüste der Feministinnen sind eine Tarnung für jemandes Geld und politische Interessen.“19

Der Sender nannte die Namen von Jed Sunden und den deutschen Geschäftsleuten Beate Schober und Helmut Geier (DJ Hell, Techno-Produzent) als Sponsoren, jedoch sind die beiden letzteren wohl eher Prominente, die sich im grellen Scheinwerferlicht von Femen sonnen, kaum Personen mit einer politischen Agenda, welche die Frage nach der zunehmenden politischen Radikalisierung Femens hinreichend beantworten könnten.

„Die nackten Brüste der Feministinnen sind eine Tarnung für jemandes Geld und politische Interessen“

Femen kündigte an, den ukrainischen TV-Sender zu verklagen: Die ganze Geschichte sei falsch, Lüge und Verleumdung. Femen habe Aktivistinnen für ihre Auftritte nie bezahlt. Jedoch würde die Organisation Mitgliedern zwischen 590 und 980 Dollar monatlich bezahlen.20 (Das ukrainische Durchschnittsgehalt liegt bei 500 Dollar.)

Die Frage der Finanzierung und des Umfeldes von Femen bleibt ein entscheidender Punkt! Untersuchen wir einmal das, was über die Person der Femen-Gründerin Anna Hutsol zu eruieren ist, die zwar offizielle Sprecherin ist, sich aber stets bedeckt hält und sich nie an einem der medienwirksamen Oben-ohne-Auftritte beteiligt: Eine anfängliche Arbeitshypothese der Autorin dieses Artikels erwies sich nach einigem Rechercheaufwand als stichhaltig:

Aus dem Jahresbericht 2008 der „Open World“-Organisation: Im Bild „Open World“-Alumna und Femen-Gründerin Anna Hutsol (Hervorheb. durch d. Aut.)
 

Das oben abgebildete Dokument aus dem Jahresbericht 2008 des US-amerikanischen Open-World-Programms belegt, dass Femen-Gründerin Anna Hutsol 2007 in einem sogenannten „Leadership-Programm“ eine einschlägige Ausbildung und Betreuung durchlaufen hat. Sie ist „Open World Alumna“. Und wer steckt hinter „Open World“?

Chef ist ein gewisser James H. Billington, Leiter der Bibliothek des US-Kongresses; Studium an der Princeton University, Rhodes Stipendiat, Doktorat am renommierten Oxforder Balliol-College, dann Professur in Princeton, Gründer des Kennan Institute for Advanced Russian Studies, Russland-Berater, Mitglied des außenpolitisch einflussreichen und richtungsgebenden Council on Foreign Relations, jahrelang Berater für dessen Fachorgan Foreign Affairs … Ach ja, und eben Begründer des Open-World-Programms sowie Vorsitzender des zugehörigen Open-World-Leadership-Centers mit Niederlassung in Washington D. C. und einer Zweigstelle in Moskau.

James Billington (re.) mit George Soros 2001 (Bildquelle: Wikimedia Commons)
 

Bei genauerer Durchsicht der Dokumente wird klar, dass Open World 1999 per Gesetz durch den US-Kongress gegründet wurde. Seine Programme führt es mithilfe von Regierungsbehörden und verschiedenen NRO21 durch. Open World hatte zunächst „Cultural Leaders“ aus Russland im Blick, seit 2003 auch aus den baltischen Staaten, und neuerdings kann der Vorstand über diejenigen Länder entscheiden, deren junge Talente man in das Austauschprogramm aufnehmen möchte.

Femen-Gründerin Anna Hutsol hat 2007 in einem US-Leadership-Programm eine einschlägige Ausbildung und Betreuung durchlaufen

Ein großer Pool prominenter US-Regierungsbehörden und internationaler NRO nominiert die meisten Kandidaten. „Die Finalisten werden durch ein Komitee ausgesucht, dass hauptsächlich aus dem Stab von US-Botschaften besteht”, so Open World. Die Finanzen werden (neben privaten Spenden) fast ausschließlich vom US-Kongress bereitgestellt; in den Jahren 2009 und 2010 erhielt Open World jeweils 8,7 bzw. 8,1 Millionen Dollar.

Derzeit verfügt Open World über ein Netzwerk von 16.000 Alumni und 6.300 US-Gastfamilien. Die sogenannten aufsteigenden „Leaders“ aus eurasischen Ländern werden während ihres Aufenthalts von Gastfamilien in 50 US-Bundesstaaten aufgenommen, von Mitgliedern des US-Kongresses betreut und an wichtige berufliche und politische Netzwerke in den Vereinigten Staaten angeschlossen.

Nun steht Open World mit seinen Leadership-Programmen beileibe nicht alleine da: Die US-Stipendien- und Austauschprogramme für potenzielle „Führer“ aus aller Welt haben bereits eine lange Tradition und wurden erstmals in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg erprobt und zur Perfektion gebracht. Zehntausende von Deutschen traten damals den Weg über den Atlantik an und halfen dabei, in der Bundesrepublik transatlantisch gesinnte, neue Eliten zu formieren (vgl. auch „Das Guttenberg-Dossier“.

Bekannt sind bis heute die sogenannten Fulbright-Stipendien oder das International-Visitor-Leadership-Programm der US-Regierung, deren CIA-Nähe in den 1960er-Jahren bekannt wurde. Diese und ähnliche Programme haben das Ziel, potenzielle „Leaders“ aus aller Welt im Sinne US-amerikanischer Prinzipien und Bedürfnisse auszubilden und möglichst anschließend in Schlüsselpositionen zu platzieren.22

2011: Jubiläum des International-Visitor-Leadership-Programms – 70 Jahre US-„Bürger-Diplomaten“ für die Welt. Stolze Bilanz: Das Programm brachte weltweit 300 Staats- und Regierungschefs hervor und mehrere tausend Personen in Ministerämtern (Bildquelle: iie.org)
 

Zurück zu Open World: Im Rechenschaftsbericht 2008 gegenüber der US-Regierung hinsichtlich des „Open World Exchange Program“ vermeldet James H. Billington u. a. Folgendes: „Open World expandiert und dehnt seinen Einfluss in Eurasien aus; das Programm wird die neue Führer-Generation in dieser strategisch bedeutsamen Region mit der amerikanischen Tradition der individuellen Rechte und der Rechenschaftspflicht von gewählten Regierungsvertretern vertraut machen.“

Anhand von Statements und der Liste der Entsendeländer wird deutlich, worum es Open World geht: Zielregionen sind die osteuropäischen und kaukasischen Länder der ehemaligen Sowjetrepubliken, die Motive geostrategischer Natur.

Zielregionen von Open World sind die osteuropäischen und kaukasischen Länder der ehemaligen Sowjetrepubliken, die Motive geostrategischer Natur

Billington weiter über die Ziele der von ihm geleiteten Regierungsorganisation: „Seit 1999 hat Open World mehr als 17.000 Young Leaders aus Ländern Eurasiens in die USA gebracht. Durch Open World konnten Bürgermeister, Gesetzgeber, Richter, Behördenmitarbeiter, Pädagogen und Unternehmer aus der ganzen ehemaligen Sowjetunion das wahre Amerika kennenlernen.“ Der „demokratische Prozess“ dieser Länder solle gestärkt werden. 

„Das Open World Leadership Center führt das Open World Program durch, eines der effektivsten Austauschprogramme für Länder der ehemaligen UdSSR. … Es ermöglichte mehr als 17.000 derzeitigen und zukünftigen Führern aus Aserbaidschan, Georgien, Kasachstan, Kirgisien, Moldawien, Russland, der Ukraine, Tadschikistan und Turkmenistan in bedeutsamer Weise mit Mitgliedern des US-Kongresses, des US-Kongress-Stabs und Tausenden anderer Amerikaner zusammenzuarbeiten, von denen viele direkte professionelle Gegenstücke der jeweiligen Delegierten sind. … Alle Länder des Open World Programms sind für die Interessen der US-Regierung strategisch wichtig. [Hervorheb. d. Autorin.] Viele haben eine wachsende Wirtschaft, wo die Möglichkeiten für ausländische Investitionen und den Handel jährlich wachsen. Zu den Ergebnissen des Programms gehören Beziehungen zum Kongress und ausländische Partnerschaften mit amerikanischen Regierungsvertretern, Juristen, Nichtregierungsorganisationen, Universitäten und Partnerstädten. Open World unterstützt die eurasischen Interessen, Projekte und Partnerschaften amerikanischen Bürger überall.“23

Diese Worte Billingtons sollten in ihrer entwaffnenden Offenheit dazu führen, Femen nunmehr in den richtigen Kontext einzubetten und die Funktion ihres weiblichen Kapitäns Anna Hutsol neu zu bewerten. Denn Femen wurde offiziell gegründet, nachdem Hutsol aus den USA in die Ukraine zurückgekehrt war. Ein vorher lockerer Frauenbund mutierte zu einer schlagkräftigen „Soldatinnentruppe“, in der Hutsol und ihr engster Mitarbeiterinnenkreis offensichtlich das Sagen hat.

Einer Kurznachricht der US-Ukraine Foundation vom 21. Oktober 2008 entnehmen wir, dass sich diese Stiftung an der Finanzierung des Open-World-Programms beteiligte. Allein 2008 seien 42 ukrainische Delegierte in die USA zu Trainingsprogrammen gekommen.

Allein 2008 seien 42 ukrainische Delegierte in die USA zu Trainingsprogrammen gekommen

Diese Meldung beleuchtet die Bedeutung von Auslandsorganisationen in den USA: Ukrainer, Syrer, Georgier usw., alle sind sie dort mit einflussreichen Organisationen vertreten und werden eng an den US-Regierungsapparat gebunden. Bei der US-Ukraine-Stiftung etwa tummeln sich viele relevante und einschlägig bekannte außenpolitische Think-Tanks wie die Brookings Institution, das Center for Strategic & International Studies oder der Atlantic Council.

Es geht den USA bei dieser Netzwerkarbeit ganz offensichtlich darum, ihre ureigenen geostrategischen Interessen zu befördern, u. a. durch die Anbindung geeigneter „Leaders“ an die USA – und das weltweit. NRO, Think-Tanks, das US-State-Department und der US-Kongress ergänzen sich dabei in ihren Aktivitäten in einzigartiger Weise zu besonderer Stoßkraft.

Wie sieht die Arbeit von Femen im Dienste konkreter strategischer US-Interessen in der Praxis aus? Dazu einige Beispiele: Die Gruppe löste im Oktober 2010 einen diplomatischen Skandal aus, als sie den in Kiew auf Besuch weilenden Wladimir Putin überraschten, indem Femen-Soldatinnen neben einer Lenin-Statue blank zogen, sich die ukrainische Flagge um den Leib schlangen und Parolen schrien, er solle sich nicht in die ukrainische Politik einmischen: „Die Ukraine ist nicht Alina.“ Femen spielte dabei auf Gerüchte an, Putin besitze eine Geliebte, will sagen: Putin, du besitzt die Ukraine nicht. Die Organisation wurde seither in den Medien als „formidable pressure group“ wahrgenommen.24

Eine Wiederannäherung Russlands und der Ukraine zu verhindern, ist seit langem erklärtes US-Ziel. Die US- und westliche Presse für den derzeitigen russophilen ukrainischen Präsidenten Janukowitsch ist dementsprechend schlecht.

Viel zivilisierter hatte sich Femen bei einem Besuch der US-Außenministerin Hillary Clinton im Juli desselben Jahres in Kiew verhalten: Sie begrüßten Clinton zwar barbusig, doch sehr freundlich und beauftragten sie, doch bitte eine Petition für Frauenrechte während ihres Gesprächs mit Janukowitsch weiterzuleiten. Auf den Plakaten, die sie hochhielten, war zu lesen „Hillary help“ und „Teach our President“.25 An dieser Stelle wird man über die ungleiche Verteilung der Sympathien wohl nicht mehr verwundert sein …

Eine Wiederannäherung Russlands und der Ukraine zu verhindern, ist seit langem erklärtes US-Ziel

Doch Femen war noch steigerungsfähig. Auf dem Russland-EU-Gipfel in Brüssel im Dezember 2012 griffen die hysterischen Amazonen Putin frontal an: „Deal with the devil“, „Putin go home“ und „Democracy apocalypse“ war auf ihren Körpern zu lesen. „Femen ruft die Führer der Europäischen Union dazu auf, sofort die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Kontakte mit der Diktatur des Gazprom-Kremls abzubrechen.“ Der „apokalyptische Zwerg“ Putin müsse aus Brüssel „vertrieben werden“.

„Femen warnt die Eurobosse , dass die Abhängigkeit von den Gazprom-Pipelines Europa den wirtschaftlichen Kollaps bringen wird, die Abschaffung der Visa für Russen bedroht Europa mit einem kulturellen Armageddon und politisches Appeasement gegenüber Putin bedroht die Zollunion.“26 Ein primitives Pamphlet, sicher, aber eben auch ein Widerhall US-amerikanischer, strategischer Ziele in Femen-Brutalo-Sprache formuliert. Die sonst so freizügigen „Femenistinnen“ möchten für ihre ehemaligen Landsleute sogar die Freizügigkeit innerhalb Europas verhindern und die Visapflicht beibehalten! In der Tat: eine formidable Pressure-Group!

Im Vorfeld des diesjährigen Deutschlandbesuchs des russischen Präsidenten war es zur Durchsuchung von Niederlassungen verschiedener ausländischer NRO in Russland gekommen. Betroffen waren auch die Konrad-Adenauer- und die Friedrich-Ebert-Stiftung. Hier bestand mit Sicherheit Klärungsbedarf, und dem russichen Regierungschef kam die Deutschland-Visite womöglich gerade recht. 

Ein denkwürdiges Interview mit dem Chefredakteur des WDR, Jörg Schöneborn, zeigten der Öffentlichkeit einen tranig-verschlafenen, gleichwohl seltsam aufgeblasen wirkenden Interviewer, der zu keiner Rückfrage imstande war und einen bestens präparierten Putin, der mit einem Feuerwerk von Fakten Kompetenz vermittelte. Putin verwies darauf auf die Behandlung ähnlicher Organisationen in den USA, die aus dem Ausland Gelder erhalten, wo ein Gesetz aus 1938 vorschreibt, dass diese sich als ausländische Agenten registrieren müssen. Und dann wurde Putin konkret: „In der Russischen Föderation arbeiten 654 Nichtregierungsorganisationen, die, wie sich jetzt heraus gestellt hat, Geld aus dem Ausland erhalten. … Allein in den vier Monaten, seitdem wir ein entsprechendes Gesetz angenommen haben, sind auf den Konten dieser Organisationen aus dem Ausland … 28,3 Milliarden Rubel eingegangen – das sind fast eine Milliarde Dollar. 885 Millionen Rubel gingen über diplomatische Vertretungen. Das sind Organisationen, die innenpolitisch tätig sind. Soll die Gesellschaft etwa nicht wissen, wer wofür Geld erhält?“

„In der Russischen Föderation arbeiten 654 Nichtregierungsorganisationen, die, wie sich jetzt heraus gestellt hat, Geld aus dem Ausland erhalten“

Stein des Anstoßes in Russland war gewesen, dass sich viele ausländische Organisationen nicht hatten registrieren lassen. Nach dem neuen Gesetz von 2005, das 2012 in Kraft trat, müsste auch Open World Entsprechendes offenlegen und über das Woher und Wieviel ihrer Gelder Rechenschaft ablegen. Wie viele politische Organisationen unterhält Moskau im Westen? Putin zu Schöneborn: „Wie viele? Was glauben Sie?“ Schöneborn wusste es nicht. „Genau zwei“, sagte Putin: „Eine in Paris, und eine in den USA.“ Und diese müssten Fragebogen beantworten, die genau so seien wie jene, die Russland jetzt eingeführt hätte. Ob er die kenne?

Die Richtigkeit der Zahlenangaben Putins sei dahingestellt. Tatsache ist, dass hier ein Missverhältnis vorliegt. Die russische Seite sah bislang tatenlos zu, wie ihre Opposition vom Ausland üppig gesponsert wurde. Das neue NRO-Gesetz ging dieses für Russland zentrale Problem nun an. Seither müssen sich Vertretungen ausländischer NRO, Stiftungen oder gemeinnütziger Vereine eigens registrieren lassen und mit stärkeren Kontrollen russischer Behörden rechnen. Die FAZ schätzte schon 2005 die Anzahl gesellschaftlich tätiger NRO in Russland auf eine halbe Million! Dagegen nimmt sich Putins Zahlenangabe bescheiden aus.27

Vielen schmeckt die verstärkte Kontrolle des Treibens von aus dem Ausland finanzierten Organisationen in Russland nicht. Der Generaldirektor der Europäischen Kommission für innere Angelegenheiten, Stefano Manservisi, drohte kürzlich ganz unverhohlen damit, die Verhandlungen zwischen der EU und Russland zur Erleichterung der Visapflicht für Russen, darunter die für die Besitzer von Dienstpässen, zu blockieren. Ruprecht Polenz, „Beton-Transatlantiker“ und Vorsitzender des wichtigen Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag, drohte ebenfalls mit „Problemen“ für die Visaverhandlungen.28 Ein weiteres schönes Beispiel dafür, wie Drohungen von Femen mit denjenigen einflussreicher Politiker wie durch Zauberhand koordiniert werden.

Anfang April dieses Jahres machte die russische Staatsanwaltschaft Dokumente und Zahlen publik, die das Ausmaß der ausländischen Finanzierung russischer Nichtregierungsorganisationen belegen. Im Jahr 2011 hatten die in Russland agierenden NRO mindestens 475 Millionen Euro aus dem Ausland erhalten. Am 21. November 2012 trat das Gesetz (aus 2005) über die als ausländische Agenten agierenden NRO in Kraft. Seit diesem Datum bis zum 26. März 2013 kassierten diese allein ca. 707,5 Millionen Euro aus dem Ausland, so die Staatsanwaltschaft.29 Aktuell stehen in Russland Auseinandersetzungen wegen „Ordnungsvergehen“ einiger ausländisch finanzierter NRO an, die sich geweigert hatten, sich als „ausländische Agenten“ registrieren zu lassen, wie z. B. die Menschenrechts-NRO Golos.30 Im Lichte dieser Informationen könnte es aufschlussreich sein, die Hintergründe so mancher russischer „Graswurzel“-Opposition kritischer zu sehen.

Gleich die erste Femen-Aktion in Deutschland gab einen Vorgeschmack, worauf wir uns noch gefasst machen müssen

Eine weitere ergiebige Quelle über die Hintergründe und Anfänge von Femen ist die Feldstudie von Jessica Zychowicz von der University of Michigan, USA, vom Herbst 2011, die sich sechs Wochen in der Ukraine aufhielt und im Umfeld von Femen forschte. Zychowicz hat den Focus auf typisch feministische Themen wie Frauenrechte, Gender und häusliche Gewalt, umso glaubwürdiger sind die scheinbar unwichtigen „Nebensätze“, in denen sie Informationen über Anna Hutsol und die Anfänge ihrer Bewegung liefert. Nachfolgend zwei dieser kleinen Bemerkungen:

Zychowicz trifft sich in Kiew mit der Gründerin des Gender-Museums, Tatiana Isaieva. Diese erzählt ihr, Hutsol hätte vor einigen Jahren ein Leadership-Trainigsseminar besucht, das vom US-Außenministeriums finanziert worden sei.

Zychowicz konfrontiert Hutsol mit der Information, Femen sei von der Mediengruppe KP MEDIA (im Besitz von Jed Sunden) gesponsort: „Als ich Hutsol über ihre Finanzierung befragte, behauptete sie fest, beinahe alle Femen-Gelder stammten aus Spenden internationaler ‚Fans‘, insbesondere aus der ukrainisch-kanadischen Diaspora.“ Zychowicz merkt an, dass sie sich in einer zukünftigen Studie mehr den Finanzquellen zuwenden möchte, aus denen sich Femen speist.

Die Leser mögen an dieser Stelle. Hutsols Angaben im Lichte des bereits Dargestellten sebst bewerten. Dass Anna Hutsol, auf deren Namen das Konto der Organisation eingerichtet ist,31 auch weiterhin die Zügel in den Händen behalten möchte, zeigte sich darin, dass sie Ende letzten Jahres ihre enge Vertraute Olexandra Schewtschenko nach Deutschland entsandte, um auch bei uns eine Femen-Dependance zu gründen. Seit ein paar Wochen lebt Schewtschenko in Berlin. Die deutsche Abteilung wurde am 25. Januar 2013 eröffnet.

Gleich die erste Aktion in Deutschland gab einen Vorgeschmack, worauf wir uns noch gefasst machen müssen. „Femen feierte die Eröffnung ihrer deutschen Niederlassung heute mit einem Protest, der die Hamburger Sexindustrie schocken sollte.“32 Sie sei die Verkörperung von Faschismus und Genozid. Die nackten, als Nazis mit dem obligatorischen Bärtchen bemalten Rächerinnen gingen auf einen Fackelmarsch auf die Reeperbahn, das „Sex-Ghetto“. Femen forderte, die Sexindustrie zu kriminalisieren. „Wir werden Deutschland von seiner Schande als europäisches Zentrum des Sex-Genozids und dieser archaischen Form des Sexhandels säubern”, so Schewtschenko. Beachtlich war die elastische, wenn auch hysterisch-plakative Anpassung an die dunklen Punkte der deutschen Geschichte, um eine maximale Medienwirkung zu erzielen. „Arbeit macht frei“ stand auf ihren entblößten Körpern.

Femen gegen Islamismus, gegen Mullahs und Kalifen

Mit dieser bizarren Aktion befanden sich die Aktivistinnen im Widerspruch zu dem, wofür z. B. die Prostituierten-Organisation Hydra seit langem in Deutschland kämpft: „Für die rechtliche und soziale Gleichstellung von Prostituierten mit anderen Erwerbstätigen“, nicht für die Kriminalisierung der Prostitution.33 (Anfang 2004 trat in Deutschland ein neues Prostituiertengesetz in Kraft. Danach sind sexuelle Dienstleistungen nicht mehr sittenwidrig.)

Oben: „Femen ist der Tod des Patriarchats.“ Unten: Vom aufmüpfigen Blumenmädchen zur Femen-Furie (Quelle: Bildschirmkopien der Femen-Homepage)
 

Am 4. April zeigte Femen in Deutschland, wohin hier zukünftig die Reise gehen soll: Eine Reihe Nacktprotestlerinnen veranstaltete einen Tag des „Topless Jihad“ vor der Berliner Ahmadiyya-Moschee: „Fuck your morals, fuck Islamism“, kreischten sie mit ihrer Anführerin Olexandra Schewtschenko. Im März hatte man gar eine Salafisten-Flagge  vor einer Pariser Moschee verbrannt.

Auch wenn man der Femen-Meinung nur zustimmen kann, dass aus dem sogenannten „Arabischen Frühling“ für die Frauen inzwischen ein „frigider Sharia-Winter“ geworden ist, kann man sich leicht vorstellen, wohin der angekündigte „unermüdliche Oben-Ohne-Dschihad gegen Ungläubige“ der „Femenistinnen“ führen wird: zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Femen gegen Islamismus, gegen Mullahs und Kalifen: „Unsere Titten sind stärker als eure Steine!“

„Topless Jihad“ in Berlin vor der Ahmadiyya-Moschee am 4. April 2013 (Quelle: Bildschirmkopie der Femen-Homepage)
 

Bewerten wir abschließend die hier zusammengetragenen Informationen über Femen: Femens Auftritte sind extrem medienwirksam: Sie liefern den Kameras Bilder, die Worte überflüssig machen und blockieren die Auseinandersetzung mit wirklich relevanten Themen, wie anhand des Putin-Besuchs deutlich wurde. Femen liefert quasi auf Bestellung Polit-Stunts, welche die Atmosphäre vergiften und Negativschlagzeilen und angebliche „Störungen“, Missstände und „Irritationen“ in Bilder umsetzen.

Femens Auftritte sind extrem medienwirksam: Sie liefern den Kameras Bilder, die Worte überflüssig machen und blockieren die Auseinandersetzung mit wirklich relevanten Themen
Gibt es eine Ähnlichkeiten zwischen Deutschland und der Ukraine, die beide Länder aus US-Sicht für Polit-Stunts durch Femen prädestinieren?

Der Altmeister der US-Geostrategie, Zbigniew Brzezinski, schrieb in seinem Buch: „Das Große Schachbrett“ (1998): „Für Amerika ist der geopolitische Hauptgewinn Eurasien … Jetzt hat eine nicht-eurasische Macht die Vorherrschaft in Eurasien – und Amerikas weltweite Vorherrschaft ist direkt abhängig davon, wie lang und wie effektiv es seine Vormachtstellung auf dem eurasischen Kontinent aufrecht erhalten kann.“ Was könnte im Sinne von US-strategischen Interessen die Funktion von Femen sein?

Beide Länder, die Ukraine wie Deutschland, müssen aus US-Sicht ständig nach „links“, also nach Westen geschoben werden, sie dürfen nicht strategisch Abdriften und in die russische Umlaufbahn geraten. Femen hat dabei quasi die Funktion von Akupunkturnadeln: Steht z. B. ein Besuch Putins in Kiew oder Hannover an, wird der öffentliche „Körper“ des jeweiligen Land/pes so mit Nadeln gepiesakt, dass das resultierende Geschrei, die Umtriebe, die Polizeipräsenz, die gelieferten Bilder, als einwandfreier Beleg dafür herhalten können, dass ein Problem vorliege, die Atmosphäre gestört, die Stimmung getrübt sei.

Im weiteren Sinne kommt Femen auch die Aufgabe zu, die Zielländer zu destabilisieren, indem sie ihre Achillesfersen mit dem Femen-Vorschlaghammer bearbeitet. Im Sinne des „Kampfes der Kulturen“ (Samuel Huntington) zeichnet sich bereits jetzt das nächste Arbeitsfeld der „Femenistinnen“ ab: Sowohl Frankreich als auch Deutschland haben mittlerweile eine starke muslimische Gemeinde. Der bedenkliche, steinzeitliche Salafismus wird nicht bei dessen Ermöglichern und Förderern, also vor allem in Riad oder Washington D. C., angeprangert, sondern vor islamischen Gotteshäusern. Damit haben sich die Femen-Aktivistinnen faktisch den Status von Gefährderinnen erarbeitet.

Die Femen-Furien leisten mit ihren gezielten Umtrieben einen nicht unerheblichen Beitrag dazu, dass eine stärkere Annäherung an Russland (die aus vielerlei nüchternen Gründen) angezeigt wäre, undenkbar bleibt. Mit dem schrillen, ordinären Nacktprotest werden alte Klischees und Traumata in der deutschen Seele aus der Zeit des Kalten Kriegs und davor gezielt wieder aufgewärmt. Femen – die nützlichen Idiotinnen des neuen Kalten Krieges.

Mit dem schrillen, ordinären Nacktprotest werden alte Klischees und Traumata in der deutschen Seele aus der Zeit des Kalten Kriegs und davor wieder aufgewärmt

Spekuliert werden darf über die Aussicht, Deutschland (und andere europäische Länder) demnächst im Femen- und Mohammed-Karikaturen-Islamisten-Clinch mit ihren muslimischen Bevölkerungsanteilen zu sehen. Derart in bürgerkriegsähnlichen Zuständen mit sich selbst befasst, neurotisiert und malträtiert wird Deutschland gut beschäftigt sein. Und nicht auf „böse“ Gedanken kommen.

Kann man sich nach all dem, was nunmehr über Femen nachgewiesen ist, der Ansicht ihrer neuen französischen Mentorin Galia Ackerman anschließen, welche das Femen-Phänomen so auslegt: „Diese feurigen Mädchen, die absolut europäische Werte vertreten, sind ein Symbol der Hoffnung für unseren alten Kontinent, sogar, wenn man nicht alle ihre Ideen oder Methoden teilt.“34

Oder liegt vielleicht Oleksandra Schewtschenkos Mutter Ludmilla näher bei der Wahrheit, wenn sie gegenüber der Kyiv Post beklagte: „Ich arbeite im Rathaus und jeden Morgen, wenn ich zur Arbeit gehe, muss ich mir die Tadel vieler Menschen wegen des Verhaltens meiner Tochter anhören.“ Oleksandras Eltern machen sich bittere Vorwürfe, dass sie ihre Tochter von Chmelnyzkyj nach Kiew zum Studium ziehen ließen. „Ich kann nicht mehr schlafen, ich kann nicht mehr essen. Ich kann nicht mehr leben, wenn ich mir die ganze Zeit Sorgen um sie machen muss. Ihr Vater und ich haben versucht, sie davon zu überzeugen, ihre Kleider nicht mehr auszuziehen. Aber wenn sie in Kiew ist, hört sie uns nicht mehr zu. Die Femen-Anführer haben Mädchen wie sie hirngewaschen.“35

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ANMERKUNGEN

  1. Vgl. www.bild.de/politik/inland/hannover-messe/busen-protest-auf-hannover-messe-femen-frau-erzaehlt-29919208.bild.html
  2. Vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/FEMEN#Financing, Zugriff am 02.07.2013
  3. Agitprop: Kunstwort aus Agitation und Propaganda
  4. Vgl. www.youtube.com/watch?v=cjlbvNaHBsA, http://de.wikipedia.org/wiki/Holodomor , Zugriff am 02.07.2013
  5. Vgl. www.20minutes.fr/societe/1005899-video-feministes-seins-nus-femen-investissent-paris
  6. Vgl. www.huffingtonpost.fr/galia-ackerman/poutine-elections_b_1323104.html
  7. Vgl. www.tagesanzeiger.newsnetz.ch/ausland/europa/Das-Leiden-der-Chodorkowskis/11978122/print.html
  8. Vgl. http://politzeki.tumblr.com/post/24365921647/open-letter-in-le-monde-to-putin-demanding-release-of
  9. Vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/FEMEN#Financing, Zugriff am 02.07.2013
  10. Er verkaufte sie für 1,1 Millionen US-Dollar im Juli 2009 an den britisch-pakistanischen Geschäftsmann Mohammad Zahoor.
  11. Vgl. www.kyivpost.com/content/ukraine/kyiv-post-founder-reflects-on-14-years-as-newspape-46203.html
  12. Vgl. www.kyivpost.com/content/business/jed-sunden-looks-back-on-10-years-with-kyiv-post-a-23376.html
  13. Vgl. www.heritageabroad.gov/Portals/0/documents/reports/survey_ukraine_2005.pdf
  14. www.kyivpost.com/content/ukraine/richest-expats-jed-sunden-85484.html
  15. www.kyivpost.com/content/politics/femen-wants-to-move-from-public-exposure-to-politi-65379.html
  16. www.ilfoglio.it/soloqui/17354
  17. Siehe auch: www.ukrainebusiness.com.ua/news/9102.html
  18. Vgl. http://jewish.kiev.ua/news/4953/ sowie www.chabad.org/library/article_cdo/aid/109866/jewish/Jewish-Beliefs.htm
  19. http://rt.com/art-and-culture/femen-topless-activist-feminist-665/
  20. Vgl. http://rt.com/art-and-culture/activists-sue-ukarainian-tv-940/
  21. NRO, auch NGO (englisch: non-gov­ern­mental organisations): Nichtregierungsorganisation
  22. Deutsche Stipendiaten sind: Christian Wulff 2000 (Bundespräsident); Gerhard Schröder 1981 (Bundeskanzler); Richard von Weizsäcker 1978 Bundespräsident); Walter Scheel 1951 (Bundespräsident); Karl Carstens 1950 (Bundespräsident); Kurt Georg Kiesinger 1954 (Bundeskanzler); Willy Brandt 1954 (Bundeskanzler); Helmut Schmidt 1956 (Bundeskanzler)
  23. Vgl. http://www.openworld.gov/about/?sub=1&lang=1
  24. Vgl. www.eurozine.com/articles/2012-07-03-rubchak-en.html
  25. Vgl. http://news.sevrugin.com/node/12893
  26. http://femen.org/en/news/id/186#post-content
  27. Vgl. www.faz.net/aktuell/politik/ausland/russland-duma-billigt-ngo-gesetz-1282009.html
  28. Vgl. http://de.rian.ru/politics/20130401/265840834.html
  29. Vgl. http://de.rian.ru/politics/20130410/265910054.html
  30. Vgl. http://de.rian.ru/politics/20130410/265906047.html
  31. Vgl. http://femen.org/en/contacts
  32. http://femen.org/en/gallery/id/120#post-content
  33. Vgl. www.hydra-berlin.de/ueber_uns/
  34. Galia Ackerman et al.: Femen. Calmann-Lévy, Paris 2013, erstes Kapitel von Galia Ackerman
  35. www.kyivpost.com/content/politics/femen-wants-to-move-from-public-exposure-to-politi-65379.html

 

LITERATUR