Vom Wesen der Irreführung: Desinformation erkennen lernen

Von THOMAS MINDERLE

Noch nie war das Informationsangebot so groß und breit wie heute. Der mündige Bürger weiß mehr als früher, nicht zuletzt durch das Internet. Doch welchen Quellen dürfen wir Glauben schenken? Schauen wir nur einmal auf Politik und Wirtschaft: Lobbyistische, korrupte oder anderweitig verdeckt-manipulative Einflussnahme wird zwar einerseits offensichtlicher. Gleichzeitig häufen sich jedoch auch Desinformationskampagnen, welche die Faktenlage gezielt zu verzerren suchen. Im vorliegenden Beitrag sollen diejenigen psychologischen Mechanismen erörtert werden, die zu Fehleinschätzungen verleiten und uns bei Weiterverbreitung dieser selbst zu Desinformanten werden lassen.

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Desinformation ist das mächtigste Mittel zur Manipulation des Massenbewusstseins. Während kein Mangel an „unschuldigen“ Fehlinformationen besteht, die von logischen Trugschlüssen, Wunschdenken, falschen Annahmen, selektiven Beweisen oder blanker Unwissenheit herrühren, beutet Desinformation vorsätzlich diese Schwächen aus, um den Glauben und das Handeln des anvisierten Publikums zu gestalten.

Desinformationskampagnen sind besonders erfolgreich, wenn ihre Kernagenda in der ehrlichen Überzeugung derer, die sie verbreiten und die ein persönliches Interesse daran haben, an sie zu glauben und sie zu verteidigen, zusammengefasst ist. Eine kalte und berechnende Intelligenz mag ein „Desinformationspaket“ ersinnen, um dieses durch ein naives Individuum zu verbreiten, welches es so ansprechend für seine Egoidentität und seine emotionale Sicherheit findet, dass es alles tun wird, es zu verteidigen. Dies kann es einer kleinen und unsichtbaren Gruppe von Irreführern ermöglichen, durch eine riesige Masse unverdächtiger Überträger zu wirken, die ehrlich an das glauben, was sie tun.

Desinformation verwendet ausgesuchte Beweise, um falsche Schlussfolgerungen zu stützen

Desinformation verwendet ferner ausgesuchte Beweise, um falsche Schlussfolgerungen zu stützen. Folgerichtiges Denken kann von falschen Voraussetzungen ausgehen; es werden trügerische logische Verdrehungen benutzt, oder das Denken wird entmutigt und die Schlussfolgerung soll entweder wegen ihres emotionalen Anklangs oder aufgrund der Autorität ihres behaupteten Ursprungs gezogen werden. Beim Enthüllen zweckdienlicher „Wahrheiten“ setzen Irreführer ohne mit der Wimper zu zucken strategische Opfer ein, sofern der Gewinn den Einsatz übersteigt.

Trotz wachsender Transparenz: Gezielt gestreute Desinformation erschwert es, bei Meldungen die Spreu vom Weizen zu trennen (Bild: Wikimedia Commons/Susan Lesch)

 

Irreführung zu erkennen ist eine heikle Angelegenheit. Es erfordert, eine mentale Biopsie vorzunehmen, um eine verdächtige Quelle als verderblich zu bestätigen. Eine fein geschliffene Intuition hilft, die Vorspiegelungen zu entlarven, woraufhin das kritische Denken dem tatsächlichen Problem noch näher kommt. Probleme gründen gerne in falschen Annahmen, nicht beachteten Gegenbeispielen, logischen Trugschlüssen und jenseitigen Motiven.

Genauer gesagt spielt Desinformation mit diesen weit verbreiteten psychologischen Verwundbarkeiten: Denkfaulheit, Unsicherheiten bezüglich des Ichs und des Wunsches, etwas Besonderes zu sein, unbedarften Optimismus', der gute Absichten auf einen gefährlichen Weg hinab führt, größeren Respekts vor Glaubwürdigkeit und Autorität als vor persönlichem Urteilsvermögen und Intuition, Wunschdenkens, verzweifelter Suche nach Antworten und daraus folgendem Absenken der Ansprüche, Verblüffung angesichts erstaunlicher, doch oberflächlicher Erscheinungen bis hin zur Leichtgläubigkeit sowie dem Wunsch nach Wirklichkeitsflucht aus schierer Langeweile.

Da das Ziel darin besteht, Meinungen zu beeinflussen, ist die beste Irreführung knapp, glatt und überzeugend. Der Irreführer maximiert seine Glaubwürdigkeit durch die Wahl jedweder Form von Autorität, welche die Zielperson am meisten achtet, und ist darauf bedacht, den Verdacht zu zerstreuen, der Urheber täte dies für Ruhm oder finanziellen Gewinn. Es ist falsch anzunehmen, dass jemand, der riskiert, enthüllende Informationen zu veröffentlichen, ohne eine Gegenleistung zu fordern, es ehrlich meinen müsse; ganz im Gegenteil, was die Desinformanten im Gegenzug verlangen, ist der Glaube an ihre Halbwahrheiten.

Die beste Irreführung verpackt ihre Täuschungen so geschickt, dass die enthaltene Geschichte beeindruckend konzis, bezaubernd, unterhaltsam und leicht verständlich ist. Sie geht über bloße logische Täuschungen hinaus und arbeitet mit Hypnosetechniken, um das anvisierte Gehirn dazu zu bringen, deren Inhalt zu akzeptieren. Diese Manipulationstechniken sind nichts Exotisches. Spezialisten für psychologische Kriegsführung, Straßenzauberer, neurolinguistische Programmierer und Werber machen in ihrem Beruf regelmäßig davon Gebrauch.

Da das Ziel darin besteht, Meinungen zu beeinflussen, ist die beste Irreführung knapp, glatt und überzeugend

Die Irreführung muss idealerweise die tiefsten Wünsche, Unsicherheiten und blinden Flecken der Zielperson ausnutzen, die je nach Publikum zwangsläufig variieren. Die Urheber der Desinformation benutzen daher diverse Methoden und Taktiken, um verschiedene Zielgruppen anzusprechen.

Die Taktiken umfassen:

  • das Abzielen auf den blinden Respekt gegenüber Autoritäten
  • das Abzielen auf falsche und begrenzende Annahmen
  • das Abzielen auf emotionale Neigungen
  • das Abzielen auf ein Bedürfnis an Sicherheit, Absicherung und Gewissheit
  • das Abzielen auf das Verlangen des Ichs nach Identität und Besonderheit
  • das Abzielen auf Gelangweilte durch spannende und unterhaltsame Geschichten
  • das Abzielen auf Skeptiker zur Lächerlichmachung der Wahrheit
  • das Abzielen auf geistige Nachlässigkeit durch Präsentation eines unnötig simplifizierten Bildes
  • Anbieten eines falschen Ventils für gute Absichten
  • Anwenden logischer Taschenspielertricks
  • Erzwingen einer Wahl zwischen zwei gleichermaßen falschen Gegensätzen
  • Liefern irreführender „Beweise“
  • Inszenieren künstlicher Bestätigung durch scheinbar unabhängige Quellen

Desinformation zielt dabei gerne auf folgende „Personenkreise“ ab:

  • die Allgemeinheit, die Stabilität und Sicherheit gegenüber beunruhigenden Wahrheiten vorzuziehen geneigt ist
  • spirituelle und New-Age-Typen, die Wunschdenken und Gefühlsduselei erliegen
  • Intellektuelle, deren begrenztes Denken sich als Folge falscher Voraussetzungen ergibt
  • Gegenkulturen, deren Faszination am Bizarren ihr Interesse an der Wahrheit überwiegt
  • Leute, die auf Tatsachen herumreiten und nur zu ihren persönlichen Glaubwürdigkeitsmaßstäben passende Beweise akzeptieren
  • politische Aktivisten, die dazu neigen, zur Bekämpfung tatsächlicher Ungerechtigkeiten verkehrte Lösungen zu unterstützen
  • UFO-Narren, die Brosamen der Desinformation ob ihrer spektakulären Natur verschlingen

Die größte Stärke der Desinformation ist zugleich ihre größte Schwäche. Dass sie so viele zu erreichen vermag, bedeutet nicht, dass sie jeden erreichen kann. Da ihr Publikum nur über eine begrenzte Intelligenz und Aufmerksamkeitsspanne verfügt, muss die Botschaft simplifiziert werden, um ihr Ziel zu erreichen. Dies macht sie für jeden mit einem genaueren Blick verdächtig. Eine Botschaft, die so clever angelegt wäre, selbst den Scharfsichtigsten zu täuschen, wäre notwendigerweise so subtil und komplex, dass sie geradewegs über die Köpfe des angesprochenen Publikums hinwegflöge. Desinformation zum Beispiel, die für ein populäres alternatives Radioprogramm gebündelt würde, finge den Verstand einer guten Mehrheit der Zuhörer ein, wäre indes derart vereinfacht, dass die kritische Minderheit die Augen verdrehte. Gute Desinformation muss hinreichend ausgefeilt sein, um die urteilsfähige Minderheit zur Bedeutungslosigkeit zu reduzieren, gleichzeitig jedoch einfach genug, um auf die erforderliche Mehrheit zu wirken. Desinformation gründet in der Absicht, eine Agenda zu befördern, somit kann sie umgekehrt auch zur Aufdeckung jener Agenda herangezogen werden.

Die größte Stärke der Desinformation ist zugleich ihre größte Schwäche

Werden Personen unwissentlich als Agenten der Täuschung benutzt, so hängt ihre Auswahl davon ab, wie leicht es ihre Schwächen erlauben, sie an den Haken zu bekommen, wie gut sie ihre Funktion erfüllen und ihre Stärken geeignet sind, mit den Schwächen der Zielgruppe zu spielen. Über einen Mittler, der darüber hinaus den Eindruck erweckt, sachkundig und achtbar zu sein, erreicht auf diesem Wege eine Kette der Beeinflussung das Publikum.

Woher weiß man nun, ob eine Quelle Desinformation an den Mann bringen will und nicht bloß unbedarft eine abweichende Meinung ausdrückt? In der Tat können Menschen unwissentlich Halbwahrheiten weitergeben, nachdem sie diese für bare Münze genommen haben; doch geht es um die Frage nach der ursprünglichen Quelle jener Ideen. Die Antwort lautet, dass die hinter der Desinformation steckende Absicht mit Mängeln behaftet ist, aus denen sich deren Zielrichtung ableiten lässt. Mit anderen Worten, die Mängel sind derart durchdacht und ausgerichtet, dass sie nicht unabsichtlich sein können, und sie tragen die Handschrift einer gerissenen Intelligenz unter einem zur Schau getragenen Mantel der Unschuld.

 

Dieser Artikel wurde zusammengestellt aus dem Manuskript „Außerirdische Irreführung erkennen“ (übersetzt von Rainer Grzybowski und Magnus Wolf Göller, erschienen im Juni 2011). Obschon es in jener Ausarbeitung um eine postulierte extraterrestrische Einflussnahme geht (entsprechende Passagen wurden im Beitrag hier ausgelassen), braucht es diese im Grunde nicht: Die oben beschriebenen Analysen zum Thema Desinformation haben viel weiterreichende Gültigkeit.